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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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hinlegen.«
    »Nur noch ein paar Stufen.«
    »Ich schaff das nicht.«
    »Na komm, gleich sind wir oben. Siehst du? Bravo!«
    Ihre Füße fanden die letzte Stufe, doch die Muskeln in ihren Beinen kletterten weiter, spannten und entspannten sich in dem Rhythmus, auf den sie sich eingespielt hatten.
    »Was tun wir hier?« fragte sie, zu müde, die Wörter deutlich auszusprechen, so daß sie zu einem langgezogenen Lallen ineinanderflossen.
    »Ich habe deinen Freundinnen erzählt, daß ich dir einen neuen Ehering kaufe, und genau das werde ich tun«, sagte er und tippte dabei auf die Geldtüte unter seinem Arm. »Ich hab zufällig ein paar Dollar bei mir.«
    »Michael, nein. Tu das nicht. Das ist nicht recht«, protestierte sie. Warum ließ er sich nicht einfach von ihr scheiden, und basta?
    »Ich habe dir Brillanten versprochen, und ich halte meine Versprechen.«
    »Brillanten?« Wozu brauchte sie Brillanten? Hatte er nicht erst gestern abend davon gesprochen, sie in eine Anstalt einweisen zu lassen? Und hatte sie nicht ernsthaft daran gedacht, ihm die Mühe zu ersparen?
    Selbstmord, dachte sie, und das Wort schallte in vielfältigem Echo durch ihren Kopf. Selbstmordselbstmordselbstmordselbstmord. Wann war ihr der Gedanke zum ersten Mal gekommen? Wann war ihr zum ersten Mal eingefallen, daß dies die naheliegende Lösung aller Probleme war?
    Ihr wurde immer klarer, daß Michael sie niemals aufgeben
würde. Selbst wenn er sie in eine Anstalt bringen sollte, würde er sie regelmäßig besuchen, sie weiterhin seine Frau nennen. Und jetzt, in diesem Moment, führte er sie zu einem Juwelier, entschlossen, ihr einen neuen Ehering zu kaufen, wie zur Bekräftigung seiner Bindung an sie.
    Nein, solange sie lebte, würde Michael niemals von ihr frei sein. Er würde immer in der Hoffnung leben, daß sie eines Tages wieder gesund werden, daß ihre Ehe gerettet werden könnte. Frei sein konnte er nur, wenn sie tot war. So einfach war das. Es war das mindeste, was sie tun konnte.
    Und es war ja auch ganz einfach. Sie wußte, wo er die Medikamente aufbewahrte. Sie brauchte nur ein paar Tabletten zuviel zu nehmen. Und wenn das nicht klappte, gab es immer noch den treuen Freund und Helfer, das Küchenmesser. Oder sie konnte sich aus einem der Buntglasfenster im ersten Stockwerk ihres Hauses stürzen, sich auf dem spitzen Horn des Einhorns aufspießen. Oh, Möglichkeiten gab es genug. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, erinnerte sie sich eines Spruchs aus vergangenen Zeiten.
    »Jane!« Michael winkte sie zum Ladentisch und zog sie fest an seine Seite. »Siehst du etwas, das dir gefällt?«
    »Michael, ich brauche kein...«
    »Tu es für mich«, sagte er, und der Mann hinter dem Ladentisch lachte. Die Brille mit dem Schildpattrand und das wellige blonde Haar hüpften bei seinem Lachen auf und ab.
    »Das höre ich wirklich zum ersten Mal«, erklärte er und neigte, um Jane anzusehen, den Kopf zur Seite, als fiele es ihm schwer, sie direkt von vorn zu betrachten. »Die meisten Männer lassen sich nur heulend und zähneknirschend von ihren Frauen hier hereinschleppen. Also - was darf ich Ihnen zeigen?« fragte der Mann, der sich als Joseph vorgestellt hatte.
    »Wir suchen einen Trauring«, sagte Michael.
    »Ah, eine Hochzeit. Wie schön.«

    Jane sah ihm an, daß er die Klugheit von Michaels Wahl stark anzweifelte.
    »Wir haben eine große Auswahl an Trauringen. Dachten Sie an etwas Bestimmtes?«
    »Brillanten«, sagte Michael schlicht.
    »Brillanten.« Der Juwelier wiederholte das Wort beinahe ehrfürchtig. »Ein schönes Wort, finden Sie nicht?« Er lachte, und wieder hüpften Haar und Brille fröhlich auf und nieder. Michael stimmte in das Gelächter ein, aber Jane lachte nicht, lächelte nicht einmal. Kein Humor. Sie wußte, daß Joseph das dachte. Wieso will dieser gutaussehende, offensichtlich intelligente Mann diese humorlose Langweilerin heiraten, die Matrosenblusen trägt und die edlen Dinge des Lebens nicht zu schätzen weiß?
    »Dachten Sie an einen Solitär oder einen Memory-Ring?«
    »Tja, wir sind schon elf Jahre verheiratet«, sagte Michael, und der Juwelier bezeigte nickend sein Beileid, »da wäre ein Memory-Ring wohl das Richtige. Was meinst du, Liebes?«
    Memory, dachte Jane. Inmemoriaminmemoriam.
    »Können Sie uns etwas zeigen?«
    »Aber selbstverständlich.« Joseph sperrte die Glasvitrine auf und präsentierte ihnen auf dem Ladentisch eine Auswahl Brillantringe. »Möchten Sie sich setzen?« fragte er und schnalzte mit

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