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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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erklären.«
    »Und weiter?«
    »Das ist alles, den Rest weißt du. Du bist nicht nach Hause gekommen. Er meinte, du schämtest dich wahrscheinlich und brauchtest ein paar Tage Zeit, um dich zu beruhigen und wieder klar zu werden. Er war überzeugt, du würdest wieder nach Hause kommen, wenn du ein paar Tage Ruhe gehabt hättest. Er rief mich an, nachdem er von der Polizei gehört hatte, und erzählte mir, was passiert war, daß du dich an nichts erinnern könntest. Er sagte, er würde dich nach Hause holen.«
    »Wann hat er dir das mit Daniel erzählt?«
    »Erst später. Und ich mußte ihm versprechen, daß ich erst mit dir darüber rede, wenn es dir wieder besser geht. Daran hab ich mich allerdings nicht gehalten, wie du weißt.«
    Jane atmete mehrmals tief durch in der Hoffnung, daß der
Schwindel, der sie schwach und elend machte, dadurch vorbeigehen würde.
    »Carole, bitte, du mußt mir sagen, wo Michael Emily versteckt hält.«
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Carole, und Jane glaubte ihr. »Ich nahm an, sie sei bei Michaels Eltern.«
    »Sie haben also wirklich ein Sommerhaus?«
    »Ja. In Woods Hole.«
    Jane wußte, daß Woods Hole ein kleiner Streifen Land an der Spitze von Cape Cod war, aber sie konnte sich nicht erinnern, je dort gewesen zu sein. Es war eine Fahrt von mehreren Stunden, aber Jane war schon entschlossen hinzufahren, auf gut Glück und mit verbundenen Augen, wenn es sein mußte. Das Haus der Whittakers würde sie schon irgendwie finden, wenn sie erst einmal dort war.
    »Du mußt mir dein Auto leihen«, sagte sie, obwohl sie stark bezweifelte, daß sie in ihrer Verfassung eine so lange Fahrt überhaupt durchstehen konnte.
    »Wie?«
    »Gib mir die Schlüssel zu deinem Wagen.«
    »Jane, sei nicht albern. Ich kann dir meinen Wagen nicht geben.«
    Jane sah, wie Caroles Blick zu einer Stelle hinter ihrem Kopf schweifte. Sie sah, wie Carole erstarrte und den Mund in einem lautlosen Aufschrei öffnete. Im selben Moment spürte sie hinter sich Bewegung.
    »Wer ist diese Frau?« fragte Caroles Vater von der Tür her.
    Im ersten Moment glaubte Jane, er spreche von ihr, aber als kräftige Hände ihre Arme packten, war ihr klar, daß Fred Cobb Paula gemeint hatte, die irgendwie aus ihrem Gefängnis ausgebrochen und herübergekommen war. Oder nein, wahrscheinlich war sie schon die ganze Zeit hier gewesen.
    »Nach Daniels Anruf heute morgen bin ich zu euch rübergegangen«,
erklärte Carole, während Paula Jane die Arme fest an die Seiten preßte, »weil ich fürchtete, es könnte etwas passiert sein. Ich fand Paula im Badezimmer.«
    »Was geht hier vor?« fragte Caroles Vater scharf. »Carole, was sind das für Leute? Wollen sie uns was verkaufen?«
    »Nein, Vater. Geh doch rauf und leg dich ein Weilchen hin.«
    »Ich will mich nicht hinlegen. Ich bin eben erst aufgestanden.«
    Jane ließ ihren ganzen Körper erschlaffen. »So ist es gut«, sagte Paula, ohne ihren Griff zu lockern. »Es hat doch keinen Sinn, um sich zu schlagen.«
    »Haben Sie Michael angerufen?« fragte Jane.
    »Er operiert. Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen.«
    Es ist also noch Zeit, dachte Jane und knickte die Knie ein, als wären ihre Beine nicht mehr stark genug, ihr Gewicht zu tragen. Paula folgte mit dem Körper ihrer Bewegung und neigte sich leicht vornüber, um ihre Arme nicht loslassen zu müssen. Im selben Moment riß Jane die Schultern so heftig nach rückwärts, daß Paula das Gleichgewicht verlor und sie sich, während Paula noch schwankend nach Halt suchte, aus ihrer Umklammerung befreien konnte.
    »Nein!« rief sie schrill und hörte den erschrockenen Aufschrei des alten Mannes, als sie die große Kristallvase auf dem Couchtisch packte und in die Höhe schwang. Die verdorrten Blumen flogen durch die Luft; Wasser rann auf ihre Schultern und den Teppich darunter. Paula wich zurück. Carole schüttelte den Kopf. Der alte Cobb drückte wimmernd die Hände auf die Augen.
    Und in dieser Sekunde erinnerte sich Jane, wer sie war und was sie unbedingt hatte vergessen wollen.

27
    Jane erlebte die Rückkehr ihrer Erinnerungen wie einen Film, als säße sie in der Mitte der ersten Reihe eines Privatkinos, in dem sie die einzige Zuschauerin war. Sie sah, wie der Vorhang sich teilte und die Leinwand sich mit Bildern füllte, die so klar und leuchtend waren, daß ihre Augen sie kaum aushalten konnten. Ohne sich dessen bewußt zu sein, begann sie zu sprechen und ließ Carole und Paula so an ihrem einsamen Erleben

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