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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schlafprobleme.«
    »Nur zur Entspannung.«
    Jane musterte mit zusammengekniffenen Augen die zwei kleinen Tabletten, die schwer auf ihrer offenen Hand lagen. »Dr. Meloff hat aber nichts von einem Beruhigungsmittel gesagt.«
    »Dr. Meloff hat es verschrieben«, erklärte er ohne eine Spur von Ungeduld oder Gereiztheit. »Sie sollen dir nur helfen, dich zu entspannen, Jane. Es ist ein ganz leichtes Mittel, wirklich. Ohne alle Nebenwirkungen.«
    »Ich hab einfach was gegen Tabletten«, sagte sie.
    Er lachte. »Ja, das weiß ich. Siehst du? Du bist schon auf dem Weg der Besserung. Sie wirken.«
    Auch Jane lachte. Warum, fragte sie sich, mache ich es ihm so schwer? »Ich habe wahrscheinlich nur Angst, die Kontrolle zu verlieren«, bekannte sie, auf der Suche nach einer rationalen Erklärung für ihr Verhalten.
    »Welche Kontrolle?« fragte er, und sie lachte wieder. Wie recht er hatte! Sie wußte nicht einmal, wer sie war, und da sprach sie von Kontrolle!
    Ohne weitere Einwände schob sie die Tabletten in den Mund und spülte sie mit dem Rest ihres Tees hinunter.
    »Iß doch ein Plätzchen«, drängte er. »Sie sind wirklich gut. Paula hat sie am Freitag gebacken.«

    »Paula?«
    »Paula Marinelli. Sie kommt ein paarmal in der Woche zum Saubermachen. Ich habe sie gebeten, jeden Tag zu kommen, bis es dir wieder besser geht.«
    »Bis ich wieder weiß, wer ich bin, meinst du.«
    »Okay, bis du wieder weißt, wer du bist«, stimmte er lachend zu.
    Sie nahm einen großen Bissen von ihrem Plätzchen, und eine Kaskade von Bröseln rieselte auf den Teppich. »Ach du lieber Gott! Bin ich immer so ungeschickt?« Sie bückte sich hastig, um die Krumen aufzusammeln, und wurde von einem so heftigen Schwindel überfallen, daß sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.
    »Hoppla!«
    Augenblicklich war er bei ihr, half ihr auf die Beine und führte sie zum Bett.
    »Du mußt total erschöpft sein«, sagte er, während er die Daunendecke zurückschlug und ihr ins Bett half. »Die Wirkung der Tabletten ist das sicher noch nicht.«
    »Ja, ich bin wirklich fertig«, bestätigte sie und schloß die Augen. Sie hatte zu lange gegen die Müdigkeit angekämpft und fühlte sich nun plötzlich von ihr überwältigt.
    »Ruh dich aus. Schlaf schön«, sagte er leise und gab ihr einen Kuß auf die Stirn, als wäre sie ein kleines Kind. »Soll ich bei dir bleiben, bis du eingeschlafen bist?«
    Sie lächelte mit Wohlbehagen. »Nein, nein, ist schon gut. Du hast sicher zu arbeiten.«
    »Das kann warten.«
    »Geh nur.« Ihre Stimme klang ihr fern und verschwommen. »Mir geht’s gut.«
    Sie spürte, wie er aufstand. »Vergiß nicht, wenn du etwas brauchst, dann ruf mich. Ich bin sofort da.««
    Das weiß ich, dachte sie, war aber zu matt, um es zu sagen. Sie
versuchte noch einmal zu lächeln, hoffte, daß es ihr gelang, den Mund in die entsprechende Form zu bringen, und gab dann der wohligen Schwere nach, die durch ihre Glieder zu ihrem Gehirn hinaufzog. Sie fühlte, wie Michael die Decke glättete und dann vom Bett wegtrat. Flüchtig öffnete sie noch einmal die Augen und schloß sie gleich wieder. Im nächsten Moment war sie eingeschlafen.
     
    Sie träumte. Sie stand auf einer großen Wiese. Hinter ihr war ein niedriges Gebäude, es hätte ein Motel sein können, aber es hatte kein Schild, das darüber Aufschluß gab. Ein Motel ohne Namen, dachte sie und hörte Musik aus einem der Zimmer. Plötzlich war Michael neben ihr. Sie fühlte die beruhigende Berührung seiner Hände auf ihren bloßen Armen. »Hast du Lust auf einen Spaziergang?« fragte er.
    Sie nickte und schmiegte sich an ihn.
    »Nein! Nein!« schallte irgendwo hinter ihnen eine Stimme. »Du darfst da nicht gehen.«
    »Wir können gehen, wo wir wollen«, entgegnete sie eigensinnig, bemüht, die Stimme zu erkennen.
    »Nein.«
    »Aber warum denn nicht?« rief sie ärgerlich. »Warum dürfen wir da nicht gehen?«
    Erst Stille, dann wieder die Stimme. »Die Wiese ist voller Kobras.«
    Sie wirbelte herum.
    Michael war fort. Eine riesige Schlange, den Kopf auf langem Hals zum Angriff erhoben, lag zusammengerollt zu ihren bloßen Füßen. Sie fuhr erschrocken zurück und fiel in die Wiese, in der die Kobras warteten. Sie nahm wahr, daß sie sich wie auf Kommando alle gleichzeitig aufrichteten, ein Heer schwankender Leiber zwischen hohen gelblichen Gräsern, das ihr drohend näher rückte. Mit blitzschnellen Schlägen peitschten die Zungen
der Schlangen ihre Beine, und sie sah, wie die

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