Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Riesenschlange sich aufrichtete, um sie anzugreifen. Sie schrie laut.
     
    Sie schrie laut.
    »Jane!« hörte sie ihn rufen, wagte aber in ihrer Todesangst nicht, die Augen zu öffnen. »Jane! Was ist los? Jane! Du hast geträumt. Es war nur ein Alptraum. Komm, Jane, wach auf!«
    Zaghaft öffnete sie die Augen, schlug aber sofort wie wild um sich, als er sie anfaßte.
    »Jane! Ich bin’s, Michael. Ich bin bei dir. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Sie brauchte noch eine Minute, ehe sie sich beruhigen und die Kobras in die Geisterwelt verbannen konnte, in die sie gehörten; ehe sie sich klarmachen konnte, daß sie nicht ohne Hoffnung auf Rettung in einem gottverlassenen Motel ohne Namen saß, sondern zu Hause war, in ihrem eigenen Bett, sicher und geborgen.
    »Ich hatte einen schrecklichen Traum«, begann sie mit kleiner Stimme. »Überall wimmelte es von Schlangen.«
    »Aber jetzt sind sie weg«, tröstete er sie und nahm sie in die Arme. »Sie sind alle weg. Ich habe sie vertrieben.«
    Sie klammerte sich an ihn. »Es war so echt. Ich hatte wahnsinnige Angst.« Sie merkte, daß sie von Kopf bis Fuß schweißgebadet war, und löste sich aus seinen Armen. »Ich bin klatschnaß.«
    »Bleib liegen. Ich hole einen Waschlappen. Ich bin gleich wieder da.«
    Immer noch zitternd unter den Nachwehen der Angst blieb sie im Bett sitzen, bis Michael zurückkam. Die Traumbilder begannen sich aufzulösen. Sie machte keinen Versuch, sie festzuhalten, wünschte vielmehr, sie würden sich so schnell wie möglich verflüchtigen. Aber das Gefühl nackter Angst, das sie im Traum gelähmt hatte, das Grauen, das sie beim Sturz unter die Giftschlangen überwältigt hatte, wurde sie nicht los. Sie schauderte voll Abscheu und Entsetzen.

    »Atme tief durch«, riet Michael, während er ihr mit dem kühlen feuchten Lappen die Stirn wischte. »Ja, so ist es richtig. Schön durchatmen. Versuch, dich zu entspannen. Jetzt ist der Spuk vorbei.«
    »Es war so fürchterlich.«
    »Ich weiß.« Er sprach so sanft mit ihr, als wäre sie eine seiner kleinen Patientinnen. »Aber jetzt ist alles wieder gut.«
    Sie sah, daß er nur eine Jeans anhatte. Wahrscheinlich hatte er sie in alle Eile übergezogen, als ihr Schrei ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Aus was für Träumen hatte sie ihn geholt, fragte sie sich, als sie sich in die Kissen zurücklegte und sich unter der kühlen Berührung des feuchten Waschlappens auf ihren Armen allmählich beruhigte.
    Plötzlich spürte sie einen Stich und glaubte, die Schlangen wären in ihr Bett eingedrungen. Mit einem Aufschrei fuhr sie in die Höhe und sah gerade noch, wie die Viper sich eilig zurückzog.
    »Es ist nur eine Spritze, damit du ruhig und ohne Alpträume schlafen kannst«, sagte Michael beruhigend. Er legte die Spritze aus der Hand und nahm sie wieder in die Arme. »Du brauchst dringend Schlaf, Jane.« Er küßte sie und strich eine feuchte Haarsträhne aus ihrer Stirn. »Das ist jetzt das Beste für dich.«
    Sie nickte. Langsam ließ er sie in die Kissen niedersinken. Sie sah ihm im Halbdunkel ins Gesicht, sah die Angst und die Einsamkeit, die er so tapfer zu verbergen versuchte, und sehnte sich danach, die Arme nach ihm auszustrecken und ihn zu berühren, ihn an sich zu ziehen und sich von ihm halten zu lassen. Statt dessen fielen ihr die Augen zu. Sie wußte, daß er erst gehen würde, wenn sie fest eingeschlafen war, und sie bemühte sich krampfhaft, wach zu bleiben. Unter halb geschlossenen Lidern sah sie, wie er die Hand hob, um sich das Haar aus der Stirn zu streichen. Und da sah sie die lange frische Narbe, die sich unmittelbar oberhalb des Haaransatzes, der normalerweise von seinem Haar verborgen war, durch seine Kopfhaut zog.

    Was ist das? wollte sie fragen, aber ihr Mund war wie ausgedörrt, und sie konnte kein Wort hervorbringen. Was hast du da für eine Verletzung am Kopf? wollte sie fragen, aber ehe sie die Worte herauspressen konnte, hüllte Dunkelheit sie ein, und sie fiel in den traumlosen Schlaf, den er versprochen hatte.

9
    Sonnenschein sickerte durch die Ritzen der Fensterläden, als sie erwachte. Sie setzte sich langsam auf, lehnte sich auf die Ellbogen gestützt an das Kopfteil des Betts und wartete darauf, daß ihr Blick klar werden und das Summen in ihren Ohren aufhören würde. Sie schluckte mehrmals, um ihren Mund anzufeuchten, der so ausgetrocknet war, als hätte man einen Wattebausch in ihn hineingestopft. Dann schwang sie die Beine aus dem Bett, um aufzustehen.
    Das

Weitere Kostenlose Bücher