Lauf, so schnell du kannst
nicht sonderlich begeistert zu sein schien, ging sie jede Wette ein, dass er einen Aufstand machen würde, wenn sie abgesagt wurde. Sie würde ihnen entweder das Geld zurückerstatten oder die Jagd verlängern müssen, falls sie länger bleiben konnten.
Sie konnten auch im Lager warten, während sie zu Lattimore hinüberritt. Wenn sie beim ersten Tageslicht aufbrach, konnte sie morgen Nachmittag zurück sein. Sie würde schneller vorankommen, wenn sie allein war. Vielleicht konnte sie sie dazu überreden, das zu tun.
Die Sonne war bereits hinter den Berggipfeln verschwunden, als sie ins Camp zurückkam. Keiner der beiden Männer war zu sehen. »Davis!«, rief sie. »Chad! Wir haben ein Problem!«
Fast sofort kam Chad aus seinem Zelt, und ein paar Sekunden später tauchte auch Davis auf, seine Miene war so kalt und dunkel wie immer. »Haben Sie Bärenspuren gefunden?«
»Ja«, antwortete sie grimmig. »Ich habe auch eine Leiche gefunden. Sieht so aus, als hätte ein Bär ihn getötet. Wir werden morgen früh den Berg hinunterreiten müssen, um es zu melden.«
»Eine Leiche?«, echote Chad schwach.
»Schwachsinn«, sagte Davis. »Es war wahrscheinlich ein wildes Tier, das Sie gesehen haben, und Sie haben Panik bekommen.«
»Soweit mir bekannt ist, tragen wilde Tiere keine karierten Hemden, und sie haben auch keine Digitalkameras bei sich«, blaffte sie. »Wir werden morgen aufbrechen, um es zu melden. Wenn Sie nicht mitreiten wollen, gehe ich allein. Das liegt ganz bei Ihnen. Wir können die Jagd entweder um einen Tag verlängern oder einen neuen Termin ausmachen.«
Er schaute sich mit angeekelter Miene um. »Ich verlange eine Rückerstattung.«
»Schön, dann bekommen Sie eine Rückerstattung.« Es lohnte sich nicht, darüber zu streiten. Jemand war einen grausigen Tod gestorben, und dieses Arschloch scheute die Unannehmlichkeiten. Klar, sie brauchte das Geld, aber sie würde schon zurechtkommen. Dare Callahans Angebot stand nach wie vor.
Zu ihrer Überraschung sagte Chad: »Ich möchte bleiben. Angie reitet morgen hinunter und wieder zurück, es ist nur ein Tag.« Er schob die Hände in die Taschen. »Es gibt keinen Grund zu gehen.«
»Seien Sie nicht dumm«, knurrte Davis. »Der Leichnam wird geborgen werden müssen, und dafür wird mindestens ein Team nötig sein. Dann wird es hier von Leuten vom Fish and Wildlife Department nur so wimmeln, die diesen einen Bären jagen. Alle Tiere werden verscheucht werden. So kurz vor dem Ende der Saison wird es bis zum nächsten Jahr keine anständige Jagd mehr geben.«
Wahrscheinlich hatte er recht, doch es war ihr egal. »Ich werde Ihnen Ihr Geld zurückerstatten«, sagte sie in einem endgültig klingenden Tonfall. »Wir werden morgen wieder nach unten reiten. Ich breche beim ersten Tageslicht auf, also halten Sie sich bereit.« Weil sie Davis von dieser Minute an nicht länger als Kunden betrachtete, kniff sie die Augen zusammen, sah ihn an und sagte: »Und Sie können sich Ihr verdammtes Pferd selber satteln.«
Das Abendessen, falls man es so nennen konnte, war angespannt und verlief schweigend. Angie hielt ihr Gewehr in Reichweite, denn die Theorie lautete: Einmal Menschenfresser, immer Menschenfresser. Wenn sie das mit der Neigung der Schwarzbären, sich an Beute heranzupirschen, in Verbindung brachte, hatte sie mehr als genug Grund, auf der Hut zu sein. Es schien ihr, als wäre jeder wütend auf jeden, daher zog sich jeder nach der Rückkehr vom Kochbereich in sein Zelt zurück.
Sie sicherte den Reißverschluss der Zelttür, sodass sie nicht von außen geöffnet werden konnte, dann saß sie für eine Weile auf der Pritsche, geistig so erschöpft, dass sie einen Moment brauchte, um wieder zu sich zu finden. Sie bekam das entsetzliche Bild der zerfleischten Leiche nicht aus dem Kopf. Ja, sie musste sich sogar mit solchen Leuten wie Mitchell Davis abgeben, ihr Geschäft war eingebrochen, und außerdem hatte sie sich auch noch mit Dare Callahan herumzuschlagen. Aber das alles war nichts im Vergleich zu dem, was diesem armen Kerl zugestoßen war.
Schlaf mochte zwar unmöglich sein, aber sie konnte sich zumindest ausruhen. Sie durchlief ihre abendliche Camproutine und benutzte die Feuchttücher als das Äquivalent eines Bades. In Jeans zu schlafen konnte unbequem werden, daher brachte sie immer eine Jogginghose zum Schlafen mit. Im Sommer trug sie dazu ein T-Shirt, aber zu dieser Jahreszeit wurde es gegen ein Sweatshirt getauscht. In den Joggingsachen und dem
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