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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Schlafsack war ihr normalerweise schön warm, ohne dass sie auf das Heizgerät zurückgreifen musste. Nachdem sie ein Paar dicke Socken angezogen hatte, kroch sie in den Schlafsack. Sie überzeugte sich davon, dass alle wichtigen Dinge in Reichweite waren, und hakte sie im Geiste ab. Gewehr – da. Stiefel – da. Pistole – da. Taschenlampe – da. Sie war so sicher, wie es ihr unter den Umständen nur möglich war.
    Sie machte die Campinglaterne aus und nahm einen tiefen, meditativen Atemzug, denn die Dunkelheit in dem Zelt war absolut. Normalerweise machte ihr das nichts aus, und aus Erfahrung wusste sie, dass sich ihre Augen nach einer Weile daran gewöhnen würden und dass es ein sehr, sehr schwaches Licht geben würde. Aber heute Nacht hatte sie das Gefühl, als wäre die Dunkelheit lebendig, als würde sie sie erdrücken. Sie lag ganz still da, lauschte in die Nacht hinein und zwang sich zu atmen.
    Vielleicht döste sie ein, vielleicht auch nicht. Sie hörte das erste ferne Donnergrollen und hob die Hand, um auf das Leuchtzifferblatt ihrer Armbanduhr zu schauen. Dreizehn Minuten nach Mitternacht. Toll. Sie hatte gehofft, der Regen würde warten, da sie zu Lattimore zurückreiten musste. Aber jetzt sah es so aus, als läge die Wetterfront genau im Zeitplan. Sie konnte beinahe spüren, wie sich die Luft veränderte, wie sie an Kraft und elektrischer Energie gewann. Der Wind peitschte durch die Bäume und machte ein Geräusch, das beinahe wie ein tiefes, klagendes Pfeifen klang.
    Zuerst dachte sie, es sei der Wind, den sie hörte. Rastlos hatte sie versucht, eine bequeme Position in dem Schlafsack zu finden, der normalerweise durchaus geräumig war, aber heute Nacht schien er sich um ihre Beine zu verdrehen. Mit einem Seufzer zwang sie sich, still zu liegen, denn
etwas
Schlaf musste sie unbedingt bekommen, selbst wenn es nicht viel war.
    Da war das Geräusch wieder. Angie hörte auf zu atmen, und jeder Muskel in ihr erstarrte, während sie lauschte. Ihre Herzfrequenz verdoppelte sich.
Bär?
Ohne nachzudenken, ließ sie die Hand vorschnellen, berührte ihr Gewehr, und allein das Gefühl des glatten Holzes ließ ihre Herzschlagrate wieder sinken.
    Sie legte den Kopf schief und horchte.
    Nein, kein Bär. Und auch nicht der Wind. Sondern Stimmen. Sie hörte definitiv Stimmen, zu weit entfernt, um einzelne Worte zu verstehen. Da war eine Schärfe, ein Ton, der ihr sagte, dass ein Streit im Gange war. Aus irgendeinem Grund gingen Davis und Chad da aufeinander los, obwohl es wahrscheinlich eher Davis war, der Chad beschimpfte, dass die Jagd ein totaler Reinfall war. Das kam ihr wahrscheinlicher vor als ein echter Streit. Aber …
    Nachts, um diese Uhrzeit? Im Ernst?
    Ärger stieg in ihr auf und verdrängte die Furcht. Ein Teil von ihr wollte sie einfach dort draußen lassen, sollten sie es doch ausfechten oder tun, was immer ihren kleinen männlichen Herzen gefiel. Aber wenn sie auch nur etwas Schlaf bekommen wollte, und seien es bloß zehn Minuten, dann lieber das, als ihrem Streit zuzuhören.
    Vor sich hin brummend befreite sie sich aus dem Schlafsack. Sie wollte die Laterne nicht einschalten, weil sie zu hell war, daher nahm sie das Flanellhemd, das sie ausgezogen hatte, und legte es über die Taschenlampe, bevor sie sie einschaltete. Ja, so ging es. Das schwache Licht reichte, um zu sehen, was sie tat, aber es war kein solcher Anschlag auf die Sinne, dass es die kleine Chance auf Schlaf, die sie in dieser Nacht noch hatte, zunichtemachen würde.
    Sie stieg in die Stiefel und schnürte sie zu. Dann zog sie den Mantel an, denn obwohl es für November mild war, war es eben doch November. Und sie war trotzdem in Montana, und nachts war die Bergluft kalt. Schnell zog sie den Reißverschluss der Zelttür auf, dann rang sie ungefähr zwei Sekunden mit der Frage, ob sie das Gewehr oder die Pistole mitnehmen sollte. Die Pistole war bequemer. Das Gewehr hatte mehr Kraft. Sie nahm das Gewehr.
    Aus Gründen, die sie sich selbst nicht erklären konnte, schaltete sie die Taschenlampe aus. Sie hielt sie in der linken Hand und das Gewehr in der Rechten und verließ das Zelt.
    Die beiden anderen Zelte befanden sich links von ihr, und von dort kamen auch die Geräusche des Streites. Für einen Moment stand sie einfach nur da und erlaubte ihren Augen, sich wieder an die Dunkelheit zu gewöhnen, denn selbst das schwache Licht der Taschenlampe hatte genügt, um ihre Nachtsicht zu zerstören. Als sie wieder schwache Umrisse

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