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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Finsternis. Und dem unverkennbaren Geruch nach zu urteilen zu einem nicht sehr glücklichen Ende.
    Wieder bekam er Herzklopfen. Seine Handflächen waren schweißnass. Er versuchte, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Im Hier und Jetzt, aber dennoch unbeteiligter Beobachter. Ein Raubtier auf der Pirsch. Eine ruhig laufende, gut geölte Maschine, die ihren Auftrag erfüllte.
    Lautlos huschte er, einen geduldigen Schritt nach dem anderen, die Stufen hinauf, bis er einen kleinen, dunklen Treppenabsatz erreichte. Links befand sich eine geschlossene Tür. Unmittelbar vor sich erkannte er eine zweite, die offen stand. Bobby ging zuerst durch die offene Tür, und der Geruch ließ merklich nach, als er den Raum betrat. Er schaltete die Deckenbeleuchtung nicht an, da er im plötzlichen Lichtschein gut zu sehen sein würde, sondern sondierte die Lage im dämmrigen Schimmer, der durch die beiden Fenster hereinfiel. Es war eine kleine Zimmerflucht: Badezimmer, Schlafzimmer, Spielzimmer. Nach den Wandgemälden, die Cowboys und sich aufbäumende Pferde darstellten, handelte es sich um Nathans Reich. Bobby sah im Schrank, in der Dusche und sogar in den Spielzeugtruhen nach.
    Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sich kein Einbrecher in der Dunkelheit verbarg, nahm er ein herumliegendes Hemd von Nathan und hängte es an den Türknauf, bevor er die Tür hinter sich zuzog.
    Nun war die geschlossene Tür an der Reihe. Ein wenig riskanter, aber inzwischen hatte er seinen Rhythmus gefunden. Jede seiner Bewegungen war ein wenig fließender und beherrschter als die letzte. Tief in die Knie gehen und sich ein Stück zur Seite drehen, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Dann die Tür öffnen und geschmeidig hineinschlüpfen.
    Wieder eine Zimmerflucht, die ebenso im Dunkeln lag. Die Einrichtung war ziemlich spartanisch. Ein schmales Doppelbett, ein altes Zweisitzersofa im Stil der Achtziger, Schlafzimmermöbel aus zweiter Hand. Offenbar die Unterkunft des Kindermädchens. Funktionell, aber nicht sehr elegant. Bobby bedauerte fast, dass hier nichts zu finden war. Denn nun blieb nur noch die dritte Etage mit der hohen Decke übrig. Das berüchtigte Elternschlafzimmer.
    Auf Zehenspitzen schlich Bobby die Treppe hinauf.
    Nun war der Geruch unverwechselbar. Scharf und säuerlich. Inzwischen hielt Bobby die Waffe ein wenig gesenkt und auch nicht mehr so fest umklammert. Etwas sagte ihm, dass er sie nicht mehr brauchen würde. Was im Schlafzimmer geschehen war, sollte eher eine Inszenierung sein. Zumindest hatte es von der Straße aus so ausgegesehen.
    Die Tür stand weit offen. Keine Deckenbeleuchtung. Dafür aber Kerzen. Dutzende flackernder kleiner Kerzen, die die Szene einrahmten.
    Die Leiche hing an den Balken vor den Überresten der gläsernen Schiebetür. Die Plastikfolie war entfernt worden, sodass kalte Luft hereinwehte. Die Kerzen flackerten. Die Leiche schaukelte mit einem knirschenden Geräusch im Wind.
    Bobby umrundete sie. Das bleiche, gequälte Gesicht von Prudence Walker drehte sich langsam in seine Richtung.

25
     
    Ich muss es melden.«
    Bobby und Catherine saßen im Empfangssalon und sprachen mit gedämpften Stimmen. Bobby hatte das Elternschlafzimmer abgeschlossen. Nach einem zweiten Rundgang durch das Haus hatte er Catherine und Nathan wieder hinein begleitet. Sicher würden die Kollegen von der Bostoner Polizei sie am Tatort befragen wollen.
    Im Wohnzimmer kauerte Nathan mit offen stehendem Mund vor dem Fernseher, und allmählich fielen ihm die Augen zu. In ein paar Minuten würde der Junge eingeschlafen sein. Besser für ihn. Besser für sie alle.
    »Ich verstehe das nicht. Hat Prudence sich aufgehängt?«
    »Es macht ganz den Eindruck.«
    Catherine war noch immer fassungslos. »Warum sollte sie so etwas tun?«
    Bobby zögerte. »Da war ein Abschiedsbrief«, erwiderte er schließlich. »Angeblich kam sie über Jimmys Tod nicht hinweg.«
    »Verschonen Sie mich damit! Jimmy konnte Pru den Buckel runterrutschen. Und sie war für ihn nicht vorhanden. Sagen wir mal, sie standen nicht aufeinander.«
    »Meinen Sie damit ... ?«
    »Pru war lesbisch«, erklärte Catherine ungeduldig. »Warum, glauben Sie, habe ich sie eingestellt? Jede andere, ganz gleich, wie alt, wäre nämlich früher oder später in Jimmys Bett gelandet, und wenn es nur aus sportlichen Gründen war.«
    Bobby seufzte, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und seufzte wieder. »Mist.«
    »In dem Brief steht doch wohl noch mehr, habe ich Recht?«
    »Ja, dass sie

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