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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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werfen und sie gewaltsam und grob besitzen. Es war, als hätte er sein ganzes Leben nur Theater gespielt und würde erst jetzt wirklich etwas empfinden.
    Dann jedoch drang die wahre Bedeutung ihrer Worte zu ihm durch, und ein eiskalter Schauder durchfuhr ihn. Er packte erst ihre rechte, dann ihre linke Hand und drehte sie ihr hinter den Rücken.
    »Lassen Sie das«, stieß er hervor.
    »Oh, Sie gehen aber hart ran.«
    »Catherine, das, was Ihnen zugestoßen ist ... es war nicht Ihre Schuld.«
    Ihre Augen weiteten sich, und er sah in dem dämmrigen Raum, wie ihre Pupillen sich vergrößerten. Mit einer heftigen Bewegung riss sie sich los und schlug ihn ins Gesicht.
    »Reden Sie nicht von Dingen, von denen Sie keine Ahnung haben.«
    Bobby schwieg. Sein Atem ging schwer. Ihrer ebenfalls. Sie wirbelte herum und stolzierte durchs Zimmer. Der graue Pullover rutschte ihr von der Schulter und gab schwarze Spitzenunterwäsche frei. Ungeduldig zupfte sie daran und wich seinem Blick immer noch aus.
    Er wusste, dass er jetzt etwas sagen musste, aber er brachte vor Erschütterung keinen Ton heraus, denn er sah nicht die Frau vor sich, sondern das kleine Mädchen, das in der Dunkelheit gefangen gewesen war.
    Die Begierde hatte sich längst gelegt, und er fühlte sich erschöpft und fast so, als stünde er neben sich. Harris hatte Recht gehabt. Das kleine Mädchen, das in die Grube geworfen worden war, war nicht mehr dasselbe, das sich nach oben gearbeitet hatte.
    »Gut«, verkündete Catherine, inzwischen am anderen Ende des Raums angelangt, barsch. »Wenn Sie mit unfairen Mitteln kämpfen, mache ich es genauso. Los, rufen Sie die Polizei, und bitten Sie Ihre Kollegen, herzukommen. Lassen Sie sich in meinem Haus antreffen. Dann werde ich gestehen, dass wir eine Affäre haben. Und zwar schon seit Monaten. Das mit dem Schuss war ganz allein Ihre Idee. Jimmy besaß gar keine Pistole. Es war meine. Ich habe die Schüsse abgefeuert, damit die Nachbarn sie hören sollen. Dann sind Sie erschienen, haben behauptet, dass er bewaffnet war, und ihn weggepustet. Ihr Wort gegen meines, Officer Dodge. Was halten Sie von fünfundzwanzig Jahren bis lebenslänglich?«
    »Bis morgen um siebzehn Uhr«, erwiderte Bobby ruhig. »Richter Gagnon hat versprochen, mich in den Knast zu bringen, wenn ich bis dahin nicht öffentlich aussage, dass Sie Ihren Mann Donnerstagnacht bedroht haben.« Catherine kaute hektisch an ihrer Unterlippe. »Dann behaupte ich eben, Prudence wäre Ihre Geliebte gewesen und hätte sich deswegen aufgehängt!« Sie zeigte mit dem Finger auf ihn. »Sie! Sie sind derjenige, auf den sie in ihrem Abschiedsbrief anspielt. Sie wusste, dass Sie Jimmy auf dem Gewissen haben, und es hat ihr das Herz gebrochen, weil Sie die Liebe ihres Lebens waren.«
    »Die Geschichte wäre glaubwürdiger, wenn Prudence sich wirklich aufgehängt hätte.«
    »Was?«
    Allmählich bekam Bobby Mitleid mit ihr. »Sie hat keine Blutergüsse am Hals. Keine Abschürfungen von dem Seil. Keine abgebrochenen Fingernägel, weil sie verzweifelt versucht hat, den Knoten zu lösen. Erhängen ist eine ziemlich ungemütliche Todesart. Prudence weist keinerlei Spuren auf.«
    »Ich verstehe ...«
    »Jemand hat sie umgebracht. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde ihr das Genick gebrochen. Dann hat der Täter sie in Ihr Schlafzimmer gebracht und alles inszeniert.«
    Catherine erbleichte und begann, hin und her zu schwanken. »Buh!«, murmelte sie. »Buh!«
    »Was?«
    »Nichts
    »Die Sache ist, Catherine, dass ich das auf den ersten Blick erkannt habe. Und das werden die Kollegen von der Bostoner Polizei auch tun.«
    »Was ist, wenn sie glauben, dass ich sie ermordet habe?«
    »Prudence war fünfzehn Kilo schwerer als Sie. Sie allein hätten es unmöglich geschafft, sie an einen Deckenbalken zu hängen.«
    »Und der Abschiedsbrief?«
    »Wenn das Erhängen kein Selbstmord war, ist der Brief auch kein Abschiedsbrief. Und deshalb ist sein Inhalt ziemlich zweifelhaft.«
    »Oh«, erwiderte sie mit leiser Stimme.
    »Prudence wurde ermordet, Catherine. Es ist Zeit, die Polizei zu verständigen.«
    Er ging aus dem Salon in Richtung Wohnzimmer, wo er ein Telefon gesehen hatte. Doch Catherine hielt ihn zurück, als er schon auf der Schwelle stand.
    »Bobby ...«
    Er drehte sich um. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, wirkte sie wirklich verunsichert und hilflos.
    Er musterte sie forschend und fragte sich, was sie wohl als Nächstes tun würde. Sie war zweifellos kühl und

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