Lauf, wenn du kannst
landeten. Das Leben war eben ungerecht, bla, bla, bla ...
Mr Bosu hatte keine Lust, mehr über den Vater zu hören. Viel neugieriger war er auf die Mutter, Catherine ... Ziemlich anstrengend, meinte das Kindermädchen. Außerdem tänzelte Mrs Gagnon immer auf unmöglich hohen Absätzen herum – einfach lächerlich bei einer Frau in ihrem Alter. (Mrs Gagnon sei eine schöne Frau, was Mr Bosu in Gedanken so übersetzte, dass sie schöner war als das junge Kindermädchen und zudem doppelt so sexy. Ganz klar.)
Und dann die vielen Regeln. Der Junge dürfe dieses nicht essen, der Junge müsse jenes essen. »Der arme Wurm ist ein richtiges Fliegengewicht«, erzählte das Kindermädchen weiter. »Meiner Ansicht nach sollte sie Luftsprünge machen, wenn er überhaupt etwas zu sich nimmt.«
Die Mutter sei kühl und arrogant, habe einen ausgeprägten Standesdünkel und spiele die feine Dame. Sie übe keinen Beruf aus, tue nichts im Haushalt, versorge ihren Sohn nicht und sei dennoch nie zu Hause. Vermutlich sei sie zu sehr mit ihren verschiedenen Liebhabern beschäftigt.
Mr Bosu brauchte gar nichts hinzuzufügen, und warf nur hin und wieder in angemessen mitfühlendem Tonfall ein »O nein« oder »O ja« ein. Inzwischen hatte das Mädchen sich für sein Thema erwärmt und machte seinen zu lange aufgestauten Gefühlen Luft. Mr Bosu stellte fest, dass der kleinste Anstoß genügte, damit sie wieder auf Catherine zu sprechen kam, diese grässliche Frau, die ihrem armen, armen Sohn so grässliche Dinge antat.
Und dann verspürte er wieder ganz kurz den alten Zauber. Die Sonne schien. Trickster trippelte vor ihm her. Beschwingten Schrittes schlenderten sie dahin, während seine Nervenenden erregt prickelten und die Welt um ihn herum immer verlangsamter und unwirklicher ablief. Mr Bosu auf der Pirsch im Großstadtdschungel. Der allmächtige Mr Bosu, der sich an seine Beute anschlich.
Dreißigtausend Dollar, dachte er. Wahnsinn! Er hatte gar nicht gewusst, dass man sich dafür auch bezahlen lassen konnte.
Inzwischen hatten sie die Bushaltestelle an der Ecke erreicht. Das Kindermädchen blieb stehen, schien plötzlich zu bemerken, wie lange sie schon erzählte und dass er immer noch zuhörte, und wurde von Verlegenheit ergriffen.
Mr Bosu fragte sich, ob jetzt der richtige Moment zum Zuschlagen war. Sollte er sie zu sich nach Hause einladen, um seine Frau und die Kinder kennenzulernen? Es sei gleich um die Ecke. Ein Vorwand, um allein mit ihr zu sein.
Dann sah er ihr in die Augen, und der Tagtraum löste sich schlagartig in Luft auf. Die Welt verlor an Farbe, und der Adrenalinstrom versiegte im Nu. Sie misstraute ihm. Und anstatt sich von seinen schicken Klamotten und dem niedlichen Hund blenden zu lassen, musterte sie ihn nur argwöhnisch.
Es war eine Gratwanderung. Gib es auf. Geh weiter. Niemand wird je davon erfahren.
Aber im nächsten Moment wusste er, dass es zu spät war. Sie kannte Catherine. Sie hatte über Catherine gesprochen. Und von diesem Augenblick an war ihr Schicksal besiegelt gewesen.
Mr Bosu blickte die Straße hinauf und hinunter. Das Mädchen setzte an, etwas zu sagen.
Doch er packte sie am linken Arm, zog sie mit dem Rücken zu sich und schlang ihr den Arm um den Hals. Ein leiser Aufschrei. Ja, nein, bitte nicht. Ein Knacken, und sie sackte schlaff gegen ihn. Mr Bosu nahm sie in die Arme und schmiegte die Nase an ihren Hals, als wären sie ein Liebespaar.
Und da roch er es an ihrer Haut. Sex. Verschwitzt, lustvoll, kürzlich. Erwachsen.
Sofort legte sich sein Verlangen. Er stand da und war gezwungen, das leblose Gewicht eines langweiligen Körpers zu stützen, während Trickster mit einem fragenden Winseln an der Leine zerrte.
Danach war es nur noch Arbeit, und dazu eine, die nicht einmal Spaß machte. Mr Bosu musste die Leiche wegschaffen, ohne zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Ihm wurde klar, dass er wirklich Mist gebaut hatte. Schließlich hätte er zuerst seine »Überredungskunst« einsetzen sollen, damit das Mädchen einen Brief schrieb. Tja, dieser Zug war nun abgefahren. Also würde er ihn selbst in seiner besten Jungmädchenschrift verfassen müssen. Ja, die Polizei würde das nicht auf Anhieb bemerken. Sein Auftraggeber würde gar nicht zufrieden sein, daran bestand kein Zweifel. Und das nach dem kleinen Problem, dass er es bei seinem letzten Auftrag ein wenig übertrieben hatte.
Allmählich hatte Mr Bosu genug von dem Theater. Wenn es so verdammt einfach war, jemanden umzubringen,
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