Lauf, wenn du kannst
Nach zwei gemeinsamen Jahren ... Ich musste mich wenigstens persönlich von ihr verabschieden.«
»Was hat sie gesagt?«
Er zuckte die Achseln. »Nicht viel. Ich meine, wir hatten uns ja schon getrennt. Was gab es da noch zu sagen?«
»Hat Sie das enttäuscht?«
»Ich verstehe die Frage nicht.«
»Haben Sie, als Sie heute Abend zu der Verabredung gingen, wirklich nur einen Schlussstrich unter die Beziehung setzen wollen, Bobby? Oder haben Sie sich insgeheim etwas anderes gewünscht? Haben Sie sich vielleicht gewünscht, dass sie um Sie kämpfen würde? Dass sie Sie anflehen würde zu bleiben? Haben Sie sich ganz tief im Innersten Ihres Herzens gewünscht, sie möge Sie so sehr lieben, dass sie Sie nicht gehen lässt?«
»Ich würde niemals ...« Aber es gelang ihm nicht, weiter zu protestieren. So überrumpelt fühlte er sich, dass ihm keine Ausflüchte einfielen und dass er nicht mehr lügen konnte. »Woher wussten Sie das?«, flüsterte er.
»Ein Mensch, der Sie früher geliebt hat, hat Sie verlassen, offenbar ohne es je zu bereuen. Und nun, all die Jahre später, erwarten Sie noch immer, dass die Menschen irgendwann einfach gehen, Bobby. Je länger eine Frau bleibt, desto nervöser macht es Sie. Also inszenieren Sie kleine Situationen und Prüfungen. Entweder kämpft die Frau dann um Sie, oder sie trennt sich von Ihnen. Und jede dieser Reaktionen lindert Ihre Angst. Zumindest vorübergehend.«
»Du meine Güte«, flüsterte er.
»Wenn Catherine Sie anruft, bitten Sie sie stets, Sie doch in Ruhe zu lassen, richtig?«
»Ja.«
»Aber sie gibt nicht auf. Sie kämpft um ein Treffen mit Ihnen. Sie sagt Ihnen, wie sehr sie Sie braucht. Sie erinnert Sie an ihren armen, kranken Sohn. Und wenn Sie dann doch erscheinen, sorgt sie dafür, dass Sie sie und Nathan zusammen erleben. Bei einigen Männern spielt sie vermutlich die Sexkarte aus. Aber Ihre Traumfrau trägt keine schwarze Spitze. Ihre Traumfrau ist eine Mutter, die niemals im Leben ihr Kind im Stich lassen würde.« Bobby schloss die Augen. Elizabeth sah, wie sich allmählich Verstehen in seinem Gesicht ausdrückte, denn inzwischen wirkte er aufrichtig entsetzt.
Sie beugte sich vor. »Noch einmal, Bobby: Glauben Sie, dass Catherine Gagnon den Tod ihres Mannes herbeigeführt haben könnte?«
»Ja«, murmelte er.
Elizabeth nickte langsam. »Dann müssen Sie sie loslassen, Bobby. Sie müssen aufhören, sich mit ihr zu treffen. Denn falls Catherine Gagnon wirklich ein Raubtier ist, dann sind Sie, wie Ihnen sicher inzwischen klar sein dürfte, die optimale Beute.«
Als Bobby endlich nach Hause kam, war es drei Uhr morgens. In seiner Wohnung brannte kein Licht. Nur das rote Lämpchen an seinem Anrufbeantworter blinkte hektisch in die Nacht.
In der Küche ließ er sich auf einen der harten Holzstühle fallen. Er fühlte sich wie ausgewrungen und ausgelaugt, so als sei kein bisschen Gefühl oder Verstand mehr in ihm übrig. Eine lange Zeit saß er einfach nur da und starrte auf das blinkende Lämpchen.
Dann streckte er langsam die Hand aus und drückte auf den Wiedergabeknopf.
Sein Lieutenant.
Ein Kollege aus seiner Einheit.
Ein Aufhänger.
Sein Vater.
Noch zwei Aufhänger.
Stille.
Bobby beugte sich über den Küchentisch und stützte den Kopf in die Arme.
Drei Aufhänger auf dem Anrufbeantworter. Catherine, dachte er.
Er presste die Finger an die Schläfen, um diese Frau aus seinen Gedanken zu verbannen.
Er durfte sich nicht von ihr für ihre Zwecke einspannen lassen. In Dr. Lanes Praxis hatte alles absolut plausibel geklungen. Und dennoch saß er jetzt, nur eine Stunde später, hier in der Dunkelheit und dachte an Catherine. Ging es ihr gut?
Wie fühlte sich Nathan, und wo würden sie die Nacht verbringen?
Ganz bestimmt nicht bei ihren Schwiegereltern, so viel stand fest.
Vielleicht hatte sie ja noch einen zweiten Liebhaber. Warum nicht? Schließlich hatte sie ja auch keine Zeit verschwendet, sich ihm an den Hals zu werfen. Frauen wie sie schlugen sich nicht allein durchs Leben. Vermutlich hatte sie einen wohlhabenden Gönner in jedem Hafen. Womöglich war sie ja schon dabei, sich den nächsten Arzt zu angeln. Oder besser einen Anwalt. Ja, schließlich brauchte sie einen Topjuristen, um es mit Richter Gagnon aufzunehmen.
Bestimmt würde sie rasch jemanden finden. Die richtigen Kleider, der richtige Zeitpunkt, der richtige Hüftschwung.
Er wünschte, er hätte sie hassen können, aber es gelang ihm nicht.
Catherine tat das, was nötig
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