Lauf, wenn du kannst
oder sieben vielleicht. Ich weiß es nicht mehr genau.« Elizabeth wartete ab.
»Ich glaube, die Ehe mit meinem Vater klappte nicht mehr so gut«, fügte Bobby hinzu und breitete die Hände aus, als wolle er sagen: Was kann man da machen? In diesem zarten Alter vermutlich nicht sehr viel.
»Geschwister?«
»Einen Bruder. Älter. Er heißt George Chandler Dodge. Ja, stimmt, die ganze Familie ist mit dämlichen britischen Namen geschlagen. Aber was hat das mit der Schießerei zu tun?«
»Ich weiß nicht. Hat es etwas damit zu tun?«
Bobby sprang auf. »Nein, das muss ich mir nicht anhören. Das genau ist der Grund, warum Seelenklempner so unbeliebt sind.«
Schicksalsergeben breitete Elizabeth die Hände aus. »Ich habe verstanden. Offen gesagt fülle ich nur Leerstellen in einem Formular aus. Und normalerweise finden es die Leute nett, vorher ein bisschen zu plaudern.« Bobby setzte sich wieder. Allerdings blieb seine Miene finster, und seine aufmerksamen Augen musterten Elizabeth argwöhnisch. Sie fragte sich, wie oft er seine Mitmenschen so anstarrte und dabei zu dem Schluss kam, dass sie seinen Ansprüchen nicht genügten. Viele Bekannte, aber nur wenige Freunde, ergänzte sie in Gedanken ihre Liste. Verzeiht nicht. Vergisst nichts.
Und was das Verschwinden seiner Mutter betraf, so hatte er gelogen.
»Ich möchte nichts verkomplizieren«, meinte er.
»Verständlich.«
»Stellen Sie Ihre Fragen, und ich gebe Ihnen die Antworten. Und dann gehen wir beide wieder zum Alltag über.«
»Bewundernswertes Ziel.«
»Das sollte nicht heißen, dass ich hier einen Lebensplan entwickeln will.«
»Das würde ich auch niemals von Ihnen verlangen«, versicherte sie ihm. »Leider lässt sich die Sache aber nicht in einer einzigen Sitzung abhandeln.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie erstens keinen Termin vereinbart haben, weshalb die Zeit nicht reicht, um alles an einem Abend durchzusprechen.«
»Oh.«
»Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir heute über ein paar Dinge reden und uns am Montag wieder zusammensetzen.«
»Montag.« Darüber musste er nachdenken. »Meinetwegen.« Er beschloss, der Psychotante den Gefallen zu tun. »Das müsste hinhauen.«
»Ausgezeichnet. Gut, dass wir das geklärt haben.« Ihr Tonfall klang kühler als beabsichtigt, aber zumindest lächelte er jetzt. Er hatte ein nettes Lächeln, das die harten Linien seines Gesichtes weicher wirken und kleine Fältchen um seine Augen entstehen ließ. Zu Elizabeths leichtem Erstaunen war er, wenn er lächelte, sogar ein sehr attraktiver Mann.
»Vielleicht sollten wir zuerst über den heutigen Tag sprechen, nicht über gestern Nacht«, schlug sie vor.
»Den heutigen Tag?«
»Heute ist der erste Tag in Ihrem Leben, nachdem Sie jemanden erschossen haben. Also kein Tag wie jeder andere. Konnten Sie schlafen?«
»Ein bisschen.«
»Haben Sie etwas gegessen?«
Er musste nachdenken und schien ehrlich überrascht. »Nein, ich glaube nicht. Als ich heute Nachmittag aufgewacht bin, wollte ich mir einen Kaffee holen gehen. Aber dann sah ich den Boston Herald und ... den Kaffee habe ich offenbar vergessen.«
»Haben Sie den Herald gekauft?«
»Ja.«
»Und den Artikel gelesen?«
»Den Großteil.«
»Was halten Sie davon?«
»Beamte der Staatspolizei von Massachusetts knallen nicht vorsätzlich Zivilisten ab, nicht einmal, wenn es sich um die Söhne von Richtern handelt.«
»Also alles nur ein Märchen?«
»Ja, wenn ich von den drei Absätzen ausgehe, die ich gelesen habe, würde ich das unterschreiben.«
»Und mehr haben Sie nicht gelesen? Ich hätte Sie für neugieriger gehalten.«
»Um etwas über die Ereignisse zu erfahren, brauche ich keinen Bericht irgendeines Reporters. Ich saß nämlich in der ersten Reihe.«
»Nein, ich meinte über das Opfer. Jimmy Gagnon.«
Bobby zuckte zusammen. Sie musste ihm zugute halten, dass er erstaunt war. Offenbar hatte er mit diesem Einwand nicht gerechnet, und er nahm sich Zeit, darüber nachzudenken. »Informationen sind ein Luxus, der Angehörigen taktischer Einheiten normalerweise vorenthalten wird«, antwortete er schließlich. »Als ich gestern Nacht abgedrückt habe, habe ich mich nicht für den Namen des Mannes, sein Wohnviertel, seinen Vater oder seine Lebensgeschichte interessiert. Ich hatte keine Ahnung, ob er seinen Hund schlägt oder Geld an Waisenhäuser spendet. Alles, was ich wusste, war, dass eine männliche Person einer Frau die Pistole an den Kopf hielt und den Finger am Abzug hatte. Mein
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