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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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ihre Schultern die Wand berührten, dann kreuzte sie die Arme und legte sie auf ihre Knie. Sie hatte immer noch den gestreiften Schal und ihren bauschigen silbernen Mantel an.
    »Aber ich glaube, dir geht es schlechter als vorher«, beharrte Griffin. Er dachte daran, was ihr Vater gesagt hatte. Cheyenne konnte nicht wirklich an einer Lungenentzündung sterben, oder doch? Obwohl, waren früher nicht Leute daran gestorben, damals, als es noch keine Antibiotika gab?
    Sie mussten dasselbe gedacht haben. »Der Arzt hat erzählt, dass man Lungenentzündungen früher auch den Freund der alten Leute genannt hat«, sagte sie. »Und zwar weil viele Leute, wenn sie alt und gebrechlich waren, daran gestorben sind, aber meistens ruhig und sanft.«
    »Toller Freund«, sagte Griffin. »Wart mal kurz, mir ist was eingefallen.«
    Er schlich den Gang entlang ins Bad. Der Duschvorhang lag noch immer in der Wanne. Mist. Den hatte er total vergessen. Cheyennes Fluchtversuch musste in einem anderen Leben gewesen sein. Er versuchte den Vorhang wieder aufzuhängen, aber er war nun mal aus den Ringen gerissen. Als es rasselte, zuckte er zusammen. Wenn Roy danach fragen würde, musste Griffin wohl behaupten, dass er gestolpert und hingefallen war - oder vielleicht war es besser, wenn Cheyenne hingefallen war. Das war schließlich wahrscheinlicher.
    Er ließ den Vorhang in die Wanne zurückfallen, kniete sich hin und öffnete den Schrank unterm Waschbecken. Direkt unter dem gebogenen, silbernen Abflussrohr stand ein Plastikkorb mit Franzbranntwein, Ibuprofen, einem abgebrochenem Kamm und einzelnen Pflastern. Kein Thermometer. Aber es lagen verschiedene Medikamente darin, die aus irgendeinem Grund nie gebraucht oder nicht aufgebraucht worden waren. Griffin wühlte sich durch Muskelentspannungsmittel, Wundsalbe und Hustenstiller. Er nahm die Ibus und die Hustenpillen. Nachdem er braune Flasche um braune Flasche ins Licht gehalten hatte, sah er auf einmal mit Genugtuung das Wort Cipro. Er wusste, dass Cipro ein Antibiotikum war. Auf dem Etikett stand: Patient Janie Sawyer.
    Es war eine ziemliche Überraschung, den Namen seiner Mutter zu lesen. Plötzlich schoss ihm eine Erinnerung in den Kopf - ihre dunklen Augen, die hohen Wangenknochen, das lange rotbraune Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte. Wenn sie wütend oder traurig war, hatte sie sich hinter ihren Haaren versteckt, oder wegen eines Dutzends anderer Gefühle, von denen Roy nichts wissen wollte. Manchmal hatte sie Roy die Stirn geboten, aber nicht sehr oft. Und seit sie gegangen war, war Roy nur noch schlimmer geworden.
    Laut dem Aufdruck auf der Flasche war das Rezept vor sechseinhalb Jahren abgelaufen, ein Jahr nach dem Tag, an dem seine Mutter es abgefüllt bekommen hatte. Aber wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass ein Medikament plötzlich nach 365 Tagen seinen Geist aufgab? Vermutlich mussten sie das Verfallsdatum aus rechtlichen Gründen angeben. Oder damit sie mehr verkaufen konnten. Griffin öffnete die Flasche. Die weißen Kapseln sahen okay aus. Er schnupperte. Sie rochen nach nichts Besonderem.
    Auf der Gebrauchsanweisung stand, dass man drei Mal pro Tag eine Tablette nehmen sollte, und das sieben Tage lang. Es waren nicht mehr sehr viele Tabletten übrig - vielleicht acht oder neun - aber immerhin genug, um Cheyenne jetzt am Anfang zu helfen.
    In der Küche goss Griffin Wasser in eins der Gläser, die er vorhin gespült hatte. Zurück im Schlafzimmer schloss er leise hinter sich die Tür und sagte dann halb flüsternd: »Ich habe mir gedacht, wenn du dein Rezept nicht abholen kannst, muss das Rezept eben zu dir kommen.«
    Cheyenne sah verwirrt aus. »Was?«
    »Cipro.« Griffin rasselte mit der Flasche. Als sie ihn immer noch verständnislos anschaute, sagte er: »Das ist ein Antibiotikum.«
    »Aber gibt es nicht verschiedene Antibiotika, je nachdem, was man hat? Was, wenn das nicht für Lungenentzündungen ist?«
    »Schlechter kann es dir damit ja wohl kaum gehen.« Warum musste sie an allem rummeckern? »Hör mal, es schadet wahrscheinlich nichts, aber es könnte helfen.«
    »Aber was ist, wenn es die Bakterien nur zur Hälfte abtötet und der Rest noch heftiger zurückkommt? Wir haben in Biologie etwas über Antibiotika-Resistenzen gelernt.«
    Griffin seufzte und setzte sich aufs Bett »Was ist los mit dir? Musst du immer wegen allem streiten und diskutieren?«
    »Ja. Ja, das muss ich«, antwortete sie ernsthaft. Durch ihre heisere Stimme klang sie älter.
    »Na, gut,

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