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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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haben.«
    »Was, das glaub ich jetzt nicht. Na gut, vielleicht hast du Schwierigkeiten mit dem Lesen, aber die habe ich auch, und ich bin trotzdem schlau, und du auch. Wenn du erst mal glaubst, was die anderen von dir denken, wirst du nie was erreichen.«
    Cheyenne dachte an ihren Biologielehrer Mr Waddell. »Nur weil du eine Behinderung hast, werde ich nicht nachsichtiger mit dir sein«, hatte er Cheyenne informiert, als er sie nach der ersten Stunde gebeten hatte, noch einen Moment dazubleiben. »Du brauchst nicht zu glauben, dass ich besondere Rücksicht auf dich nehme. Du wirst von mir behandelt wie jeder andere Schüler auch.« Aber war er wirklich schlimmer als Ms Crispin, ihre Englischlehrerin? Alle in ihrer Arbeitsgruppe hatten für das Projekt ein Ungenügend bekommen. Außer Cheyenne, sie hatte eine Zwei. Für exakt dasselbe Projekt. »Ich wollte dir noch sagen, wie beeindruckt ich bin«, hatte ihre Lehrerin betont. »Man merkt deine Behinderung fast gar nicht.«
    Griffins verbitterte Stimme holte Cheyenne ins Hier und Jetzt zurück. »Glaubst du ernsthaft, es macht einen Unterschied, was ich von mir selber denke? Glaubst du wirklich, ich könnte alles sein, was ich will, sogar Präsident der Vereinigten Staaten? Du musst den Tatsachen ins Auge sehen, Cheyenne. Du bist blind. Das heißt, dass du tausend Sachen nie machen kannst. Und mein Leben sagt mir, dass ich auch keine große Wahl habe. Ich habe nicht viele Möglichkeiten.«
    »Und das heißt dann, dass du einfach bei allem mitmachst, was hier so läuft? Nur weil du das Auto von meiner Stiefmutter geklaut hast, heißt das noch lange nicht, dass du bei allem weiter mitmachen musst.«
    »Was glaubst du eigentlich? Glaubst du, ich fahr dich zur nächsten Polizeistation und stelle mich?«
    So ausgedrückt, hörte sich die Idee tatsächlich lächerlich an. Aber was würde mit ihr passieren? »Ich glaube nicht, dass sie mich jemals gehen lassen«, platzte sie mit ihrer Angst heraus.
    »Natürlich werden sie das.« Griffin klang, als wollte er sich selbst überzeugen.
    »Du weißt genau, was die einfachste Lösung wäre«, widersprach Cheyenne. »Sie nehmen das Geld und dann tschüss. Ich bin die einzige Zeugin. Dich hat im Einkaufszentrum wahrscheinlich niemand gesehen. Garantiert nicht gut genug, um dich wiederzuerkennen. Es war ja sowieso nur so eine Zufallskiste. Es gibt keine Verbindung zwischen dir und mir oder zu meiner Familie. Keine einzige. Und inzwischen nimmt die Polizei jeden unter die Lupe, der was mit meiner Schule zu tun hat, und jede Haushälterin und jeden Hausmeister, den wir je hatten, und alle Leute, die Dad durch Nike kennt. Sie werden jeden überprüfen, der jetzt für Nike arbeitet oder je dort gearbeitet hat, plus diejenigen, die dort rausgeworfen wurden, und alle die, die Nike hassen, weil sie glauben, dass Nike Ausbeuterbetriebe in der Dritten Welt betreibt.«
    »Das ist eine ganz schön lange Liste. Das sind praktisch die ganzen Vereinigten Staaten von Amerika.«
    »Richtig«, sagte Cheyenne. »Also, wie groß ist dann wohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie euch finden? Wohl eher gering. Außer ihr lasst mich frei. Und diese anderen Typen werden mir nicht glauben, wenn ich sage, dass ich nichts verrate. Dass ich kein Wort sagen werde, wenn ihr mich gehen lasst. Aber ich verspreche, ich tu’s wirklich nicht.«
    »Wir werden dich freilassen, okay? Wir bringen dich irgendwo an einen sicheren Ort und lassen dich laufen.« Griffin klang, als wünschte er selbst, er würde glauben, was er da sagte.
    Aber es musste für sie doch eine Möglichkeit geben, wie sie hier lebend rauskam, dachte Cheyenne. Es musste einfach.
    »Was wäre passiert, wenn ich durch das Badfenster geklettert wäre? Was ist da draußen überhaupt?«
    »Nichts. Auf jeden Fall keine Leute, zumindest größtenteils. Es ist einfach nur Wald. Meile für Meile. Im Osten liegt ein Fluss. Im Westen ist unsere Straße und nach ungefähr vier Meilen führt sie auf eine größere Straße. Aber die ist noch immer ziemlich unbefahren. Wahrscheinlich wärst du herumgeirrt, hättest dich verlaufen und wärst gestorben. Nachts fallen die Temperaturen ganz schön unter den Gefrierpunkt.«
    Cheyenne öffnete den Mund und wollte etwas sagen, aber dann gähnte sie und es kam nur ein knarzendes Geräusch heraus.
    Griffins kühle Hand legte sich auf ihre Stirn. »Ich glaub, die Ibus haben das Fieber gesenkt. Du musst schlafen. Wir beide müssen das.« Er zog ihr die Decke bis ans Kinn.

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