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Laufend loslassen

Laufend loslassen

Titel: Laufend loslassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Mall
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schneller.
    „Buen camino!.“, wünschen wir uns zum Abschied. Im Vergleich zu Frankreich ist der Weg gut, führt durch Eichen- und Buchsbaumwälder, leichte Steigungen, etwas stärkere Gefälle. In Biskarreta lesen wir auch Dennis auf, der erst dort Frühstückspause gemacht hat.
     
    Später stößt noch ein finnischer Pilger dazu, der gestern mit uns am Tisch saß. Er ist in Moissac gestartet.
    Wir sprechen über unsere Erfahrungen und über das, was der Weg uns bisher gelehrt hat. Er hat ganz ähnliche Gedanken wie ich und es ist für mich eine Freude, mich mit ihm auszutauschen. „Nutze den Augenblick.“, ist eine dieser Erkenntnisse. Und: „Reg dich nicht auf über Dinge, die du nicht ändern kannst - lerne sie so zu nehmen, wie sie sind.
    So entsteht innerer Frieden.“
     
    Gegen 14 Uhr ist Zubiri erreicht, ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Roncevalles und Pamplona.
    Laura und Dennis sind geschafft und wollen bleiben, und auch ich habe nichts dagegen, denn auch so werde ich morgen am frühen Nachmittag in Pamplona sein. Über die Puente de la Rabia, deren dreimaliges Überschreiten nach früherer Auffassung Tiere von Tollwut heilte, kommen wir ins Städtchen. Laura geht in eine private Albergue. Dennis und ich wollen in die kommunale und auch Verena aus Darmstadt, die kurz nach uns eingetroffen ist und sich vor einem Laden zu uns setzt, trifft die gleiche Entscheidung.
    Endlich ist Zeit zu duschen und Kleidung zu waschen und es dann richtig gemütlich zu haben. Wir essen in der Küche der Herberge zusammen. Als wir fast fertig sind, kommen Valerie und Julien aus Quebec und bieten uns die Reste ihres Nudelessens an. Dennis und Verena lernen die beiden so erstmals kennen.
    Ich merke, dass sich hier - das fing gegen Ende in Frankreich schon an - eine völlig andere Tagesstruktur herausbildet. Ich bin gespannt darauf, welche Erfahrungen das ermöglicht. Was den Kontakt mit Pilgern betrifft, hat sich auch vieles geändert. Waren in Frankreich überwiegend Leute meines Alters unterwegs, sind es hier viele junge Leute, die aber keine Berührungsangst zeigen.
     
    Ich unterhalte mich am frühen Abend lange mit Dennis, Verena und Christoph aus Graz, der gerade seine Matura gemacht hat. Wir sprechen über Paulo Coelho, dessen Werke Christoph gut gefallen und von denen auch Verena und ich einige kennen und besonders über sein Buch „Der Alchimist.“, über politische Einstellungen und über den Weg der letzten zwei Tage und seine Herausforderungen. Ich komme mir vor wie ein väterlicher Freund, der einigen über die Anfangsschwierigkeiten hinweghilft. Mir kommt der Gedanke, dass für mich hier auf dem Camino vielleicht mehr Geben als Nehmen ansteht.

     

Freitag, 20. Juli
    Um sechs Uhr wird es im Schlafsaal lebendig. Kurz vor sieben breche ich mit Dennis und Verena auf, ohne Frühstück. Das wollen wir in Larrasoaña einnehmen. Als wir den Ort nach eineinhalb Stunden erreichen und über die alte Brücke einziehen, stellt sich heraus, dass die Bar geschlossen hat. „Wo bekommen wir jetzt ein Frühstück her?.“, fragen wir uns.
    Dann aber legen wir unsere Lebensmittel zusammen und essen an den Terrassentischen der Bar. Ich packe meine Knusperbrote und meinen Honig aus Frankreich aus, Verena und Dennis zaubern Müsliriegel, Obst und Schokolade hervor, Brausetabletten geben unserem Wasser mehr Geschmack und so nach und nach findet noch einiges den Weg aus den Rucksäcken auf den Frühstückstisch. Wir werden alle drei gut satt.
    So ähnlich habe ich mir immer die Brotvermehrung bei der Speisung der 5000 vorgestellt. Erst wird die anonyme Masse von Menschen in Gruppen geteilt, deren Größenordnung überschaubar und vertraut ist. Die im Auftrag Jesu verteilenden Jünger lösen dann durch ihr Vorbild die Öffnung der Herzen aus. So geschieht das Wunder. Das, was jeder für sich selbst bewahrt hätte, wird plötzlich geteilt und es reicht für mehr als alle.
    Das Getrenntsein wird überwunden und die Freude aneinander wächst. So ist nicht nur Nahrung für den Leib da, sondern auch die Seele wird gesättigt.
     
    Dann geht es mit neuer Kraft weiter. Der Weg ist leicht, führt meist als Pfad am südlichen Hang des Arga-Tales entlang, teils sogar direkt am Flüsschen. Es ist angenehm kühl, ein leichter Wind bringt zusätzlich Erfrischung. Wir kommen durch eine Reihe kleiner Weiler, Zurlain, Irotz und Zabaldika. Alle sind sehr ruhig, wirken manchmal wie ausgestorben. An einen Kaffee ist nicht zu denken. Wir

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