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Laufend loslassen

Laufend loslassen

Titel: Laufend loslassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Mall
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Lebens sie spannend fand. Sie erwähnt „Die Physiker.“ von Dürrenmatt, eine Schullektüre, die für sie auch heute noch einen wichtigen Platz einnimmt. „Das denkende Herz.“ von Etty Hillesum hat sie auch berührt. Dieses Tagebuch beschreibt die Entwicklung einer holländischen Jüdin während des Krieges. „Ungewöhnlich finde ich daran, dass diese Frau sich mit ihrem unvermeidlichen Schicksal abfindet, ohne jedoch zu resignieren.“, erläutert sie.

    Dann nennt sie ein Buch, dessen Lebensweisheit auch mich tief berührt hat: Antoine de Saint-Exuperys „Der kleine Prinz.“.
    „Es ist eine bezaubernde magische Geschichte. Schon ein Satz im Vorwort gefällt mir sehr: ,Alle großen Leute sind einmal Kinder gewesen.“, erklärt sie uns. Eine Kernbotschaft dieses Büchleins ist für sie prägend geworden: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.
    Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
     
    In diesem Buch gibt es auch eine kleine Geschichte, die zu uns passt, die wir gerade dabei sind, uns besser kennenzulernen. Einmal begegnet dort ein Fuchs dem kleinen Prinzen und sagt zu ihm: „Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht und du brauchst mich nicht. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen völlig gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein auf der Welt. Ich werde für dich einzig sein auf der Welt.“
    „Was muss ich da tun?.“, fragt der kleine Prinz.
    „Du musst sehr geduldig sein.“, antwortet der Fuchs.
     
    Der Alto de Perdón wird sichtbar. Die Sierra de Perdón ist garniert mit einer ganzen Reihe von Windrädern zur Stromgewinnung, ebenso wie die anderen Bergzüge im weiten Umkreis. Wir sind uns einig, dass uns ein solcher Anblick angenehmer ist als ein Atomkraftwerk. Vorbei führt der Weg am Grab eines Pilgers aus Holland, der hier vor ein paar Jahren gestorben ist. Blumen schmücken sein Grab und der Brief eines Freundes, der ihn hier besucht hat.
    Starker Wind pfeift uns am Alto de Perdón um die Ohren und wir betrachten die weite Aussicht, bevor wir den Abstieg nach Uterga beginnen. Hier kreuzt der Weg des Windes den Weg der Sterne, also den Jakobsweg, heißt es. Mit Taizé- und Wanderliedern vertreiben wir uns die Zeit. „Ubi caritas et amor, ibi deus est.“ ist eines davon. Wo Einfühlsamkeit in den Nächsten, Mitmenschlichkeit und Liebe ist, da ist Gott. Ja, das spüre ich auf dem Weg. „Wir wollen zu Land ausfahren, über die Fluren weit, aufwärts zu den klaren Gipfeln der Einsamkeit. Lauschen, woher der Sturmwind braust, schauen, was hinter den Bergen haust und wie die Welt so weit, und wie die Welt so weit.“ Auch das passt zu der Landschaft, durch die wir pilgern.
    Als wir Uterga erreichen, hilft uns jeweils ein großer Kaffee über die aufkommende Müdigkeit. Meine beiden Begleiter leiden unter ihren Knieschmerzen und ich laufe derzeit ohne Beschwerden. Ich habe beiden meine elastischen Bandagen gegeben. In Muruzábal biegen wir ab zur Wallfahrtskirche Santa Maria de Eunate, der harmonisch schönen oktogonalen Kirche aus dem 12. Jahrhundert, in der sanfte Musik die Pilger zur Stille gemahnt. Jeder von uns lässt die Wirkung dieser kraftvollen Kirche, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Grabeskirche in Jerusalem dem Orden der Tempelritter zugeschrieben wird, auf sich einströmen. Wir bleiben vor der Kirche, machen Rast und stärken uns noch für die fünf Kilometer nach Puente la Reina.

    Unterwegs sprechen wir zunächst von der Wirkung des Kirchenraums, der vor allem Verena und mich stark beeindruckt hat. Beide haben wir eine zentrierende und sammelnde Kraft spüren können in der Zeit, in der wir dort im Gebet verharrten. Von der Wirkung dieser Kirche schweift unser Gespräch weiter zur Prägung, die wir durch Religion erfahren haben. Ich beschreibe meinen Weg, durch einen katholischen Schülerverband mitgeformt, und meine spätere Begegnung mit dem Buddhismus, die für mich nicht zu einer Abkehr von den ursprünglichen Überzeugungen geführt hat, sondern in gewisserweise sogar zu einem neuen, tieferen Verständnis davon, allerdings auch zu einer Erweiterung meiner Sichtweise. Menschen, die es schaffen, aus dem Brunnen beider Religionen für sich Wahrheit zu schöpfen, haben mich immer neugierig gemacht. Als ich in unserem Gespräch Christus und Buddha auf eine ähnliche Stufe stelle, widerspricht mir Dennis.

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