Laugenweckle zum Frühstück
Katastrophen-Gen lief mal wieder zur Höchstform auf. Gestern Eric. Heute Leon. Ich legte meinen angebissenen Hotdog auf das Tischchen, zog Papierservietten aus dem Serviettenspender und bemühte mich hektisch, die Kleckse auf Leons Jeans abzuwischen. Irgendwie wurde es dadurch nur noch schlimmer. Senfgelb vermischte sich mit Ketchuprot und Mayoweiß. Leon stand mit herunterhängenden Armen da und blickte mich an, als sei er J. F. K. nach dem Attentat.
»Ich denke, du solltest das lieber selber machen, Leon, Lieber. Dort hinten links ist die Herrentoilette. Am besten versuchst du dort, dich ein wenig zu säubern«, sagte Yvette und tat so, als seien Lila und ich Luft.
Leon verschwand, ohne uns eines weiteren Blicks zu würdigen. Ich blieb zurück, einen Haufen rot-, gelb-, weißgetränkter Servietten in der Hand und fühlte mich jämmerlich.
Yvette bastelte sich das festgezimmerte Lächeln ins Gesicht. »Tja, manche Menschen ziehen das Unglück an, nicht wahr?«, sagte sie zuckersüß.
Lila packte mich am Ärmel. »Würdest du uns bitte entschuldigen, wir gehen in die Cafeteria, um einen Kaffee einzunehmen und uns ein wenig von dem Schock zu erholen. Bitte grüße doch Leon von uns und richte ihm aus, es tue uns leid, ihm Unannehmlichkeiten bereitet zu haben. Komm, Line.«
Sie stolzierte wie ein Pfau davon, den Kopf hoch erhoben, und zog mich am Ärmel hinter sich her.
»Dreh dich ja nicht um!«, zischte sie.
»Wow«, flüsterte ich. »Wo hast du denn das gelernt? Und überhaupt, ich habe meinen Hotdog gar nicht fertig gegessen!«
»Es gibt Situationen, da hilft nur ein würdevoller Abgang«, sagte Lila. »Deinen Hotdog hat die Putzfrau schon längst entsorgt. Und diese affektierte Tante! ›Leon, Lieber, am besten gehst du auf die Herrentoilette, um dich zu säubern!‹ Wo sind wir denn, bei Jane Austen?«
»Leon hat die ganze Zeit kein Wort gesagt«, sinnierte ich bedrückt. »Es war doch keine Absicht. Bestimmt ist er immer noch sauer auf mich. Und am Samstag zu zweit zu Ikea, das ist doch schon fast ein Heiratsantrag!«
»Leon ist wie alle Männer. Schwach. Schwach und lenkbar. Da kommt so eine Zicke aus dem norddeutschen Tiefland angestöckelt, entdeckt den kleinen Goldklumpen Leon, wackelt mit dem Hintern und ruck, zuck findet er sich vor dem Traualtar wieder, ohne zu wissen, wie er da hingekommen ist und wer den Hochzeitstisch bei WMF zusammengestellt hat.«
»Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Wollen wir wetten?«
Natürlich hatte Lila recht, aber wie konnten Männer nur so blöd sein? Diese Frau hatte doch keinen Tiefgang! Geschweige denn innere Werte! Natürlich wollten Männer wie Leon eine Frau, die in Abendkleid und Jeans gleichermaßen gut aussah, aber vor allem wollten sie eine Frau zum Pferdestehlen, und nicht eine, die sagte, »Leon, Lieber, bitte stiehl dein Pferd alleine, es ist so kalt draußen und ich habe Angst, mir die Fingernägel zu ruinieren. Außerdem kommt gleich
Desperate Housewives
im Fernsehen.«
Lila sah mich prüfend von der Seite an, während wir versuchten, die Cafeteria zu finden, was gar nicht so einfach war, weil wir aus irgendeinem Grund immer wieder bei den Klippan-Sofas landeten.
»Macht es dir was aus? Ich dachte, du hättest Leon abgeschrieben und dich auf den Scheich fixiert. Falls nicht, musst du dir ganz schnell was einfallen lassen, bevor es zu spät ist.«
»Nein, es macht mir nichts aus«, sagte ich. Schließlich hatte ich Eric. Na ja, vielleicht auch nicht. Das Thema Leon war jedenfalls durch. Plötzlich wurde ich sentimental.
»Weißt du, ich habe ja dich. Das ist viel wichtiger als ein Kerl.«
Lila lachte. »Das ist zwar sehr schmeichelhaft, aber auf Dauer keine Lösung, glaube ich.«
In der Cafeteria saßen erschöpfte Erwachsene, die mit letzter Kraft ihre Kaffeebecher umklammerten und so taten, als ob die Sprösslinge, die mit
Köttbullarn
um sich warfen und über Tische und Stühle kletterten, nicht ihnen gehörten. Der Lärmpegel entsprach der A81 ohne Lärmschutzwall. Eigentlich waren wir nicht so richtig hungrig, aber bei Ikea war ja alles so billig. Also aßen wir Penne mit Lachs, Salat, Pommes und Mandeltorte und tranken insgesamt fünf Tassen Kaffee. Man bezahlte ja nur einmal. Wir hechelten noch einmal ausführlich die Leon-Hot-Dog-Affäre durch und kamen zum Schluss, dass Leon ein humorloser Kerl war, der sich von Yvette negative Schwingungen abholte. Hätte er nur einfach herzhaft gelacht, dann hätte ihn das richtig sympathisch
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