Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
an.
Amalie fuhr zusammen. Sie fasste sich ans Herz und rang nach Luft. »Das ist doch nicht normal!«, keuchte sie Lukas vorwurfsvoll an. »Hast du mich vielleicht erschreckt!«
»Tut mir Leid«, sagte der Junge mit einschmeichelnder Stimme. Dabei schaute er die Bibliothekarin so treuherzig aus seinen großen blauen Augen an, dass er selbst die härtesten Steine hätte schmelzen können.
Amalie Bröselsam konnte sich der Wirkung dieses Blickes nicht entziehen. Ihre gestrengen Züge entspannten sich. »Schon gut, Lukas.« Ihre Stimme war nun so weich wie ein Flausch-Pullover. »Was kann ich für dich tun?«
»Wo finde ich denn eine Abhandlung über die Hawking‘sche Definition des Raum-Zeit-Kontinuums und der Singularität Schwarzer Löcher?«
»Hä?« Amalie Bröselsams Gesichtszüge entgleisten.
»Wo finde ich eine Abhandlung über die Hawking'sche Definition des Raum-Zeit-Kontinuums und der Singularität Schwarzer Löcher?«, wiederholte Lukas mit seinem Steine- Schmelz-Blick.
Endlich schien Fräulein Bröselsam zu verstehen, was er meinte. Sie schenkte ihm ein Geier-Lächeln und tätschelte ihm zärtlich die Wange. Dass Lukas zurückzuckte und widerwillig das Gesicht verzog, fiel ihr zum Glück nicht auf.
»Ach, das meinst du, Lukas!«, sagte sie überfreundlich. »Entschuldige, wenn ich ein wenig verwirrt war, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass sich ein Schüler deines Alters mit hochwissenschaftlichen Fragen beschäftigt, die selbst die Begriffsfähigkeit unserer Abiturienten überfordern würden. Komm mit, mein Junge, ich zeig dir alles, was du brauchst!«
Laura beugte sich vor und schob die Hand tiefer in die schmale Öffnung in der Wand. Tastend wanderten ihre Finger durch den Hohlraum - und plötzlich spürte sie etwas. Einen kleinen Gegenstand. Er fühlte sich hart und rau an - wie ein Stein. Sie fasste ihn mit den Fingerspitzen und zog die Hand vorsichtig aus der Öffnung.
Es war tatsächlich ein Stein. Ein kleiner Brocken von maximal drei Zentimetern Durchmesser, der offensichtlich aus einem größeren Stein herausgebrochen worden war. Eine Seite war glatt, während er ansonsten uneben war. Auf der glatten Seite war etwas eingraviert, was Laura auf den ersten Blick nicht genau erkennen konnte. Außerdem hatte sie jetzt keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. Sie musste den Nebel finden. Wieder steckte sie die Hand in die Öffnung und fingerte darin herum.
Amalie Bröselsam lächelte Lukas freundlich an und deutete auf den breiten Regalabschnitt vor ihnen. »Hier, mein Junge, hier müsstest du alles finden, was dein junges Forscherherz begehrt!«
»Super!« Lukas strahlte. »Und vielen Dank auch!«
»Nichts dafür! Aber beeil dich bitte, wir schließen nämlich gleich. Aus diesem Grunde kann ich dir im Augenblick auch nicht weiter behilflich sein, erst muss ich den Tagesbericht fertig machen. Aber wenn du morgen wiederkommst, mein Junge, bin ich ganz für dich da!«
Sie beugte sich Lukas entgegen und strahlte ihn an. Der süßliche Duft ihres Parfüms belästigte seine Nase. Noch einmal tätschelte sie ihm zum Abschied die Wange und wogte davon.
Lukas schüttelte sich. Er holte ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich über die Wange.
Der große Zeiger der Wanduhr ruckte mit einem lauten Klicken voran. Die Uhr zeigte jetzt eine Minute vor fünf.
Laura achtete nicht auf die Uhr. Ihr Kopf lehnte dicht an der Wand, während sie auf der Suche nach dem Nebel angestrengt in dem Hohlraum herumfingerte. Sie meinte bereits, jeden Millimeter abgetastet zu haben, und wollte gerade aufgeben, als ihre Fingerspitzen doch noch einen Gegenstand erspürten. Er fühlte sich glatt und kalt an. Nur mit allergrößter Mühe gelang es ihr, ihn zu greifen und aus dem Versteck zu ziehen.
Zu ihrer Enttäuschung handelte es sich lediglich um ein unscheinbares Fläschchen aus grünem Glas. Es war nicht viel größer als ein Handy und von Staub und Schmutz bedeckt. Der schlanke Hals war durch einen Korken verschlossen.
Von einem Nebel keine Spur!
Enttäuscht legte sie das Fläschchen neben den Gesteinsbrocken, um erneut in den Hohlraum zu greifen. In diesem Augenblick hörte sie die Schritte der Bibliothekarin in ihrem Rücken. Sie waren bereits sehr nahe.
Hastig ließ Laura die beiden Fundstücke in der Hosentasche verschwinden. Sie klappte die Scheuerleiste an die Wand zurück und wollte sich aufrichten. Aber da war Amalie Bröselsam auch schon heran.
18
Der Flüsternde
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