Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
Männern. Dass es sich um Männer handelte, war allerdings nur noch an der Kleidung zu vermuten, denn die Leichen waren stark verwest. Die Unglücklichen mussten wohl schon vor langer Zeit das Opfer der tückischen Grube geworden sein.
Da tauchten Lukas' und Kajas Gesichter am Rand der Fallgrube auf. Der Junge leuchtete mit der Taschenlampe in die Tiefe.
Als Kaja realisierte, wie dramatisch Lauras Lage war, schlug sie bestürzt die Hände vors Gesicht.
»Helft mir!«, flehte Laura. »Bitte, helft mir!«
»Halt mich fest!«, wies Lukas Kaja an, legte die Lampe ab und streckte sich dann auf dem Boden aus. Während das rothaarige Mädchen nach seinem Hosenbund griff und ihn sicherte, beugte er sich so weit, wie es ging, in die Grube und streckte seiner Schwester die Hände entgegen. »Gib mir deine Hand, Laura!«
Laura merkte plötzlich, wie ihre Kräfte schwanden. Die Finger taten ihr entsetzlich weh, denn die scharfkantigen Steine des schmalen Mauervorsprungs schnitten immer tiefer in ihre empfindliche Haut.
»Ich kann nicht«, presste sie, keuchend vor Anstrengung, hervor.
»Doch, du kannst!«, schrie Lukas. »Gib mir deine Hand!«
Laura versuchte, ihre Rechte zu lösen und nach der Hand des Bruders zu greifen. Aber in dem Moment, in dem sie die Hand vom Vorsprung nahm, rutschte ihre Linke ein Stück weiter ab. Ihr ganzes Gewicht hing jetzt nur noch an den Fingerspitzen. Die mörderischen Eisenstäbe am Boden der Grube ragten ihr drohend entgegen, und in ihrer Todesangst kam es Laura mit einem Male so vor, als würden sie immer länger und spitzer werden.
»Deine Hand, Laura!«, schrie Lukas nun wieder. »Gib mir deine Hand! Versuch es wenigstens, verdammt noch mal!«
Laura atmete schwer. Ihr Gesicht war verzerrt vor Angst und Anstrengung. Sie sammelte alle noch verfügbaren Kräfte und streckte dem Jungen die Rechte entgegen. Zentimeter um Zentimeter näherte sie sich dem rettenden Griff. Nur noch ein winziges Stück, und Lukas würde sie zu fassen bekommen. Mit einer letzten verzweifelten Anstrengung reckte Laura sich Lukas entgegen - aber da rutschten ihre Fingerspitzen ab, und sie verlor endgültig den Halt.
»Neeeiiin!«, brüllte Lukas in wilder Panik und warf sich nach vorne - und bekam tatsächlich eine Hand seiner Schwester zu fassen, bevor Laura in die Tiefe stürzen konnte. Die plötzliche Wucht ihres Körpergewichts riss den Jungen ein Stück weit mit, und obwohl Kaja ihn mit all ihrer Kraft festhielt, konnte sie nicht verhindern, dass er immer weiter in die Grube hineingezogen wurde. Verzweifelt stemmte sich das pummelige Mädchen der mächtigen Last entgegen, die an ihren Armen zerrte. Aber die beiden waren einfach viel zu schwer. Kaja schaffte es nicht, Laura und Lukas zu halten. Ihre Füße verloren den Halt auf dem sandbedeckten Boden, und so rutschte der Junge immer weiter in die Tiefe. Bis zur Taille war er bereits in der Fallgrube verschwunden, und Kaja sah sich plötzlich vor einer schrecklichen Entscheidung: Wenn sie Lukas weiter festhielt, dann würde sie von ihm und Laura in den Abgrund gezogen werden und mit den Geschwistern in die tödlichen Eisenpieken stürzen. Ließ sie dagegen los, dann wären Laura und Lukas rettungslos verloren.
Fieberhaft suchte Kaja nach einem Ausweg, während sie immer näher zum Rand der tödlichen Grube gezogen wurde. Immer mächtiger wurde das Gewicht, das an ihr zerrte, und mit wachsendem Schrecken wurde ihr bewusst, dass es keine Rettung gab. Für sie nicht und für Laura und Lukas auch nicht.
Das war's , erkannte sie mit erschreckender Klarheit. Es ist aus und vorbei!
Sie schloss die Augen. Doch ein lautes Knirschen ließ sie sie sofort wieder aufschlagen. Eine hünenhafte Gestalt hatte sich über sie gebeugt. Portak! Seine kräftigen Hände griffen beherzt zu und packten Lukas am Hosenboden, um ihn mitsamt Laura so mühelos aus der Grube zu ziehen, als wären sie Spielzeugpuppen.
Portak schnaufte nicht einmal, als er Laura und Lukas neben Kaja auf dem Boden absetzte und sie vorwurfsvoll anschaute. »Was habt ihr euch dabei gedacht, dass ihr solch dumme Sachen macht?«
Den Kindern stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Sie atmeten tief durch, wechselten betretene Blicke und rappelten sich auf. Während Lukas sich den Staub aus den Kleidern klopfte, schaute Laura den Riesen dankbar an. »Danke, Portak«, murmelte sie leise. »Vielen Dank. Du hast uns das Leben gerettet.«
Der Hüne verzog missbilligend das Gesicht, drehte sich um,
Weitere Kostenlose Bücher