Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
sicheren Gewahrsam waren. Marius Leander konnte das freilich nur vermuten. Denn er wusste nicht, ob es überhaupt noch andere Gefangene gab, und wenn ja, wie viele. Die Nachbarzellen waren jedenfalls leer, nie hörte er von dort einen Laut. Wie es in den weiter entfernten Verliesen aussah, wusste er jedoch nicht. Zwar erinnerte er sich, eines Nachts die schrecklichen Schreie eines Mannes gehört zu haben, aber das war schon lange her. Seitdem war es still gewesen.
Totenstill.
Der Wärter hob den Kopf, als er die Bewegung in der Zelle wahrnahm, und glotzte den Gefangenen einen Moment mit seinen drei Augen misstrauisch an. Wie sein Kumpan war auch er ein Trioktid. Er hatte ein zusätzliches drittes Auge mitten auf der Stirn. Dieses dritte Auge war immer dann wach, wenn das normale Augenpaar geschlossen blieb, sodass der Wärter den Gefangenen auch während des Schlafes im Auge behalten konnte. Aus diesem Grund wurden die Trioktiden von den Dunklen Mächten vorzugsweise im Wachdienst eingesetzt. Oder als Späher bei den Heerzügen. Marius hatte sich fürchterlich erschrocken, als er zum ersten Mal einem Trioktiden begegnet war, aber mittlerweile hatte er sich an den Anblick gewöhnt.
Der Trioktid hatte große Tränensäcke unter seinem Froschaugen-Paar, und seine Lider waren kaum zu erkennen. Marius hatte ihn deshalb »Glupschauge« getauft und seinen gehbehinderten Kollegen »Hinkefuß«, damit die beiden Kerkerknechte, die ihm täglich Gesellschaft leisteten, wenigstens Namen hatten. Vorgestellt hatten sie sich nämlich nicht.
Glupschauge blickte Marius finster an. Als er sah, dass der Gefangene nur trinken wollte, schien er beruhigt. Ein hämisches Grinsen erschien unter seiner schiefen Nase. Dann wandte er sich ab und starrte wieder gelangweilt vor sich hin.
Marius ließ sich davon allerdings nicht täuschen: Er war sich sicher, dass Glupschauge mit seinem dritten Auge trotzdem jede seiner Bewegungen verfolgte. Schließlich konnte er es unabhängig von den beiden anderen Augen bewegen und deshalb gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen sehen.
Endlich hatte Marius den Tisch mit dem Wasserkrug erreicht. Er packte ihn mit beiden Händen und hob ihn mühsam an die Lippen. Dann trank er mit gierigen Schlucken.
Wasser! Nichts schmeckte köstlicher als kühles Wasser.
Nachdem er den brennenden Durst gestillt hatte, fühlte er sich gleich besser. Gewiss, der Rücken brannte immer noch, aber er würde die Schmerzen schon aushalten. Er musste einfach! Er durfte sich nicht aufgeben, denn sonst wäre er verloren und würde sein Gefängnis nicht lebend verlassen. Diesen Triumph durfte er seinen Peinigern unter keinen Umständen gönnen. Schließlich brauchte Laura seine Hilfe.
Laura.
Quälende Gedanken stiegen in ihm auf.
Hoffentlich hat sie verstanden und auch behalten, was ich ihr in der Nacht gesagt habe! Wenn ich doch nur mehr Zeit gehabt hätte! Hätte dieser verdammte Wärter doch nur eine einzige Minute später entdeckt, dass ich mich auf eine Traumreise begeben hatte! Nur eine einzige Minute - und ich hätte Laura verraten können, wo Rauenhauch, der Flüsternde Nebel, versteckt ist. Ohne Rauenhauch wird sie nicht unbemerkt in die Gruft eindringen können. Niemals! Und dann wird sie auch ihre Aufgabe nicht erfüllen können - und alles ist verloren.
Plötzlich war Marius sich nicht mehr sicher, wie viel er Laura während seines kurzen Besuches in ihrem Zimmer überhaupt erzählt hatte. Ob seine Hinweise ausreichend gewesen waren? Vielleicht waren sie so spärlich gewesen, dass Laura keinerlei Chancen hatte, die richtigen Schlüsse zu ziehen? Sosehr er sich auch den Kopf zermarterte, er konnte sich nicht mehr genau erinnern, was er seiner Tochter gesagt hatte, bevor die brutalen Peitschenhiebe des Trioktiden ihn in seinem Verlies aus der Trance gerissen und damit die Traum reise jäh unterbrochen hatten.
Vielleicht sollte er versuchen, noch eine Traumreise zu unternehmen, um Laura einen weiteren Besuch abzustatten? Zur Sicherheit - auch wenn Hinkefuß ihn dann wahrscheinlich zu Tode prügeln würde. Laura musste ihre Aufgabe unter allen Umständen erfüllen - schließlich hing das Schicksal der Erde und auch das von Aventerra davon ab!
Glupschauge und Hinkefuß beobachteten ihn allerdings noch schärfer als zuvor. Aber warum sollte ihm nicht ein zweites Mal gelingen, was er schon einmal geschafft hatte? Er musste es einfach versuchen!
Bei dem Gedanken fühlte Marius Leander sich gleich sehr viel
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