Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
vorsichtig nieder und umklammerte mit beiden Händen den Bootsrand, einen ängstlichen Blick auf die Freundin auf dem Steg gerichtet.
Lukas nickte seiner Schwester zu. »Mach das Tau los«, bat
er.
Laura bückte sich, löste den Knoten, warf Lukas das Tau zu und verpasste dem Boot einen kleinen Stoß. Sofort glitt es auf den See hinaus. Die unruhigen Wasser ließen es schaukeln, und Kajas Blick wurde noch ängstlicher. Mit wenigen gekonnten Schlägen richtete Lukas das Boot aus, bis dessen Spitze in Richtung Insel zeigte. Dann begann er, die Riemen durch das Wasser zu ziehen. Kräftig und gleichmäßig zog er, als hätte er in seinem Leben noch nie etwas anderes getan, und sie glitten ruhig auf die Insel zu.
Laura stand reglos auf dem Bootssteg und beobachtete den Bruder und die Freundin besorgt. Obwohl sie wusste, dass Lukas ein ausgezeichneter Ruderer war, hatte sie ein beklemmendes Gefühl.
Einige Minuten später hatte das Boot die Insel erreicht. Lukas ruderte nahe am Ufer entlang, um eine geeignete Stelle zum Anlegen zu finden. Doch das erwies sich als äußerst schwierig, ja nahezu unmöglich. Ein abweisender Saum aus stacheligen Brombeersträuchern, Weißdorn- und Schlehenbüschen zog sich um die Insel. Sie standen so dicht beieinander, dass ein Durchkommen fast unmöglich erschien, und so mussten die beiden beinahe das ganze Eiland umrunden, bis sie endlich eine kleine Bucht fanden, deren Uferstreifen weniger stark bewachsen war.
Kies schrappte unter dem hölzernen Rumpf des Kahns, und Sand knirschte, als er aufsetzte. Lukas stakte ihn mit einem Riemen noch höher an Land. Dann sprang er hinaus, packte das Tau und zog das Boot die Uferböschung hoch. Auffordernd streckte er Kaja die rechte Hand entgegen - wie ein Kavalier in einem Musketier-Film.
Einen Augenblick war Kaja unschlüssig - sollte sie sich von Lukas helfen lassen oder nicht? Doch dann ergriff sie seine Hand und stieg aus dem Boot.
»Danke«, sagte sie lächelnd.
»Gerne«, antwortete der Junge. Fast schien es, als würde er erröten. Schnell ließ er die Hand des Mädchens los, drehte sich um und musterte skeptisch das dichte Gestrüpp sowie die kahlen Birken und jungen Fichten im Wintergrün hinter der Uferlichtung.
»Komm, Kaja. Wir schauen uns mal um.« Lukas schlug sich in die Büsche. Das Mädchen folgte ihm.
Sie waren erst wenige Meter gegangen, als Kaja laut aufschrie: »Aua!« Eine stachelige Brombeerranke hatte sich in ihrem Haar verfangen und ziepte an ihren Locken, sodass sie vor Schmerz das Gesicht verzog. Das Mädchen hielt Lukas die Handrücken entgegen, die von mehreren Kratzwunden gezeichnet waren. Einige wenige waren tiefer und bluteten leicht. Auch in ihrem Gesicht konnte Lukas Kratzer entdecken.
Er bemerkte plötzlich, dass die dornigen Schlehen-, Brombeer- und Hagebuttensträucher auch auf seinen Händen blutige Spuren hinterlassen hatten. Und sein Gesicht sah wahrscheinlich auch nicht besser aus als Kajas.
Die tiefe Falte furchte sich in die Stirn des Jungen, während er Kaja von dem lästigen Stachelzweig befreite.
»Danke, Lukas.«
»Schon gut«, brummte er. Nachdenklich warf er einen Blick in die Runde. Er musste einsehen, dass es einfach nicht mehr weiterging. Das Buschwerk stand jetzt so dicht, dass sich nicht einmal mehr eine ausgehungerte Schlange hätte hindurchschlängeln können. Und wohin Lukas auch schaute - nirgends konnte er eine Schneise oder einen Weg entdecken, der durch das Gestrüpp führte. Es gab noch nicht einmal einen schmalen Pfad, der ins Innere der Insel führte.
Enttäuscht schüttelte der Junge den Kopf. Obwohl sie sich kaum zehn Meter vom Ufer entfernt hatten, war es einfach unmöglich, weiter vorzudringen. Dabei hatten sie an der Stelle angelegt, an der die Bäume und Büsche am wenigsten dicht zu sein schienen! Missmutig blickte er Kaja an. »Hier kommt niemand weiter«, sagte er. »Allenfalls mit Buschmesser oder Machete.«
Auch Kaja zog die Stirn in Falten. »Und wenn das jemand getan hat?«, fragte sie.
Wieder schüttelte Lukas den Kopf. »Das würde man sehen, Kaja. Laura hat doch gesagt, dass das Versteck, nach dem sie sucht, maximal vor einem Jahr angelegt worden ist, oder?«
»Ja, und?«
»Wenn sich vor einem Jahr jemand durch dieses Dickicht gekämpft hätte, dann würde man den Pfad immer noch erkennen können. Der wär doch unmöglich wieder vollständig zugewachsen!«
Auch wenn Kaja keine allzu großen Kenntnisse in Botanik besaß, so war ihr trotzdem klar, dass
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