Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
nicht, Laura«, sagte sie. »Du weißt doch, wie wichtig der Test für dich ist. Aber anstatt zu lernen, hängst du andauernd mit Miss Mary und Percy rum. Und dann kümmerst du dich zu allem Überfluss auch noch um den Professor, was nun wirklich Schwachsinn ist. Erstens macht Miss Mary das sowieso schon, und zweitens kannst du ihm ja doch nicht helfen. Also, was soll das?«
Laura verzog genervt das Gesicht. »Ach«, sagte sie gedehnt. »Das verstehst du nicht.«
»Dann erklär's mir eben! Ganz so bescheuert bin ich doch auch nicht, dass ich das nicht verstehen würde, wenn du wirklich wichtige Gründe dafür hättest.«
Laura biss sich auf die Lippen. Vielleicht würde Kaja es ja tatsächlich verstehen? Vielleicht sollte sie ihr endlich sagen, was Sache ist. Schließlich war sie auf deren Hilfe angewiesen. Und auf die von Lukas auch. Irgendwann würde der Moment ohnehin kommen, an dem sie die beiden einweihen musste. Warum dann nicht gleich? Dann hätte wenigstens diese ewige Fragerei ein Ende.
Aber Laura entschied sich dagegen. Sie konnte es Kaja noch nicht sagen. Und auch Lukas nicht. Die Geschichte, die sie ihnen erzählen musste, war derart fantastisch, dass sie ihr nicht glauben würden. Lukas mit Sicherheit nicht. Und Kaja wahrscheinlich auch nicht. Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.
»Klar weiß ich, wie wichtig der Test für mich ist«, sagte Laura deshalb hastig. »Und ich versprech dir, dass wir ab morgen auch regelmäßig dafür lernen. Aber heute lass uns zum Drudensee gehen, okay?«
Kaja antwortete nicht. Nachdenklich sah sie Laura an, und ihrem Blick war zu entnehmen, dass sie sich nicht schlüssig war, ob sie Lauras Vorschlag gut finden sollte oder nicht.
»Also, was ist?«, drängte Laura ungeduldig. »Kommst du nun mit - oder nicht?«
Eine knappe Stunde später standen die drei Freunde auf dem Bootssteg in der Nähe der Badebucht. Die hölzernen Planken waren schwarz vor Nässe und schwankten leicht. Der Himmel über dem Drudensee sah aus wie frisch gegossenes Blei. Ein kräftiger Wind strich über die Wasserfläche und verpasste ihr ein unruhiges Kräuselmuster. Zwei Ruderboote waren am Steg festgemacht. Unruhig tanzten sie auf und ab und zerrten an den Tauen. Fast schien es so, als könnten sie es gar nicht erwarten, endlich auf den See hinausgelenkt zu werden.
Die kleine Insel lag vielleicht zweihundert Meter vom Ufer entfernt. Aus der Ferne wirkte das Gestrüpp, mit dem sie bewachsen war, wie ein undurchdringlicher Wall. Kein Zugang zur Insel war zu sehen, und kein Laut drang von ihr herüber an die Ohren der Freunde. Die Stille, die von ihr ausging, war fast unheimlich.
Kaja wurde blass, als sie bemerkte, wie unruhig das Wasser war. »Sollen wir da wirklich rüber? Und dann auch noch ohne dich?«
Laura nickte. »Tut mir Leid, Kaja. Aber seit dem Unfall -« Sie brach ab, weil die Erinnerung an den schrecklichen Tag mit einem Male wieder so lebendig wurde, als sei es erst gestern gewesen. Sofort fühlte sie die maßlose Angst wieder, die sie damals ergriffen hatte. Sie sah das gurgelnde Wasser wieder vor sich, das in das Auto eindrang und rasch anstieg, höher und höher. Und sie sah ihre Mutter, die hinter dem Lenkrad eingeklemmt war und verzweifelt versuchte, ihren Gurt zu lösen.
Doch Anna Leander hatte es nicht geschafft. Es war ihr nur noch gelungen, Laura aus dem Sicherheitsgurt zu befreien und sie im letzten Moment aus dem sinkenden Auto zu stoßen. Laura sah es wieder vor sich, das Ufer, auf das sie mit letzter Kraft zu schwamm. Laura wusste noch, dass sie den Kopf gedreht hatte, um zurückzublicken ... Aber an das, was danach geschehen war, konnte sie sich nicht mehr erinnern. Offensichtlich hatte das Gedächtnis Mitleid mit ihr und die schrecklichen Bilder vollständig gelöscht. Obwohl das alles nun schon über acht Jahre her war, legte sich eine seltsame Beklemmung auf Lauras Brust, und das Atmen fiel ihr plötzlich schwer.
»Du meinst den Unfall, bei dem eure Mutter ertrunken ist?«, fragte Kaja vorsichtig.
»Ja«, sagte Laura. »Seitdem krieg ich Panik, wenn ich Wasser nur sehe!«
Kaja legte ihr die Hand auf die Schulter und schaute sie mitfühlend an. »Schon okay, Laura.«
»Jetzt komm endlich, Kaja«, sagte Lukas. »Wir schaffen das auch alleine!«
Er ging zum Rand des Stegs und stieg in eines der Ruderboote. Es schwankte heftig unter seinem Gewicht. Dabei wog er nicht mehr als vierzig Kilo. Er setzte sich auf die Ruderbank, ergriff die beiden
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