Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
wurde. Wahrscheinlich gab es darin nicht mehr als zwei, drei Räume. Auf der Längsseite des Häuschens waren zwei winzige Fenster zu sehen. Schummriges Licht fiel durch die Sprossenscheiben mit den putzigen Gardinen. Auf der Querseite gab es ebenfalls ein Fenster und außerdem eine niedrige Haustür aus massivem Holz. Das windschiefe Dach war mit Schieferschindeln gedeckt. Rauch kräuselte aus dem Schornstein in den dunkler werdenden Himmel.
Zu den Zeiten von Reimar von Ravenstein hatte der Burgkaplan in dem Haus gewohnt. Allerdings nicht sehr lange, denn als der fromme Diener Gottes es gewagt hatte, seinem Herrn Vorhaltungen wegen seines wenig gottgefälligen Lebenswandels zu machen, musste der Scharfrichter bereits am nächsten Tage erneut seinem grausigen Handwerk nachgehen. Im Laufe der Jahrhunderte hatte das Gemäuer die verschiedensten Bewohner gesehen, aber nun lebte dort seit endlos vielen Jahren Attila Morduk, der Hausmeister des Internats.
Der Ruf eines Käuzchens hallte durch den Park, und am Fuß der Eiche huschte etwas raschelnd durch das dichte Laub.
Eine Maus? Kaja verzog das Gesicht. Ein leichtes Unbehagen hatte sie ergriffen. »Also, ich weiß nicht, Laura, ob das hier wirklich so eine tolle Idee ist«, erklärte sie.
»Natürlich, das ist unsere einzige Chance!«
»Und wenn der Hausmeister nun doch nicht geht?«
»Er wird gehen, verlass dich drauf!«, sagte Laura. »Attila Morduk geht jeden Tag um diese Zeit hinüber in die Burg und trinkt in der Küche Schnaps mit dem Koch!«
»Pssst!«, zischte Lukas. »Seid doch endlich still!«
Er schmiegte sich dichter an den Stamm der Eiche und deutete aufgeregt hinüber zum Haus. Die Eingangstür wurde gerade geöffnet, und die grobe Gestalt von Attila Morduk erschien auf der Schwelle.
»Hab ich 's euch nicht gesagt?«, flüsterte Laura.
Der Mann trat ins Freie, schloss die Tür hinter sich und setzte sich in Bewegung.
»Super!«, flüsterte Lukas.
»Was denn?«, wisperte Kaja.
»Er hat nicht abgeschlossen!«, antwortete der Junge.
»Wahrscheinlich kann er es gar nicht erwarten, zu seinem Schnaps zu kommen«, murmelte Laura.
Der Hausmeister schien nicht zu bemerken, dass er von drei Augenpaaren beobachtet wurde. Mit ausladenden Schritten eilte er den Pfad entlang, der sich durch die Bäume des Parks schlängelte und von seinem versteckt liegenden Häuschen zum Burggebäude führte. Die langen Arme schlenkerten ungelenk an den Seiten seines massigen Körpers, der sich im wiegenden Seemannsgang dahinbewegte. Plötzlich begann er ein Lied zu pfeifen. Laura traute ihren Ohren nicht - der finstere, grimmige Attila pfiff eine fröhliche Melodie. Wenige Augenblicke später war der Hausmeister von der Dunkelheit verschluckt.
Die Luft war rein.
Laura stieß die beiden Freunde an. »Okay«, flüsterte sie. »Es ist so weit.«
Lukas schaute seine Schwester an. Etwas schien ihn zu bedrücken. »Soll ich nicht lieber gehen?«, fragte er.
Laura schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ganz bestimmt nicht. Ihr haltet die Augen offen und passt auf, dass mich niemand überrascht. Und wenn doch jemand kommen sollte - ihr wisst, was ihr dann zu tun habt?«
Lukas nickte. »Ja, klar!«
»Viel Glück, Laura«, flüsterte Kaja. Auch sie machte ein besorgtes Gesicht.
Laura lächelte ihr aufmunternd zu. »Danke«, wisperte sie.
Sie erhob sich und schlüpfte hinter dem Stamm der Eiche hervor. Vorsichtig sah sie sich nach allen Seiten um. Nein - niemand war zu sehen. Laura atmete noch einmal tief durch und rannte los. Flink wie ein Wiesel huschte sie davon, wo immer es ging, Deckung suchend. Nur noch wenige Augenblicke, und sie würde die Tür erreicht haben.
Aus ihrem Versteck hinter dem Eichenstamm heraus beobachteten Lukas und Kaja sie. Lukas knabberte aufgeregt an den Fingernägeln. Kaja dagegen fasste geistesabwesend in die Tasche, holte einen Schokoladenriegel hervor, riss das Papier auf und biss ein Stück Schokolade ab. Dass sie mit Nougat gefüllt war, merkte sie nicht, denn ihre Gedanken waren einzig und allein bei Laura.
Laura schaute sich noch einmal nach allen Seiten um, dann griff sie zur Klinke und drückte vorsichtig gegen die Holztür, die sich mit einem leisen Knarren öffnete. Geräuschlos schlüpfte das Mädchen ins Innere des Häuschens.
Nachdem Laura die Tür wieder geschlossen hatte, sah sie - nichts. Sie stand völlig im Dunkeln. Allerdings wagte sie nicht, das Licht anzumachen. Die Gefahr, dass das von jemandem bemerkt wurde, war
Weitere Kostenlose Bücher