Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
Lehrerpult zurückging, warf sie Laura noch einen spöttischen Blick zu – und in diesem Moment wurde dem Mädchen klar, dass die Dunkle den Testtermin natürlich in- und auswendig wusste. Pinky Taxus zog diese miese Show nur ab, um sich über sie, Laura, lustig zu machen. Was gleichzeitig bedeutete, dass der Chemietest nur an einem ganz bestimmten Tag stattfinden konnte. Natürlich! Laura wurde schwindelig, als ihr das aufging, und Sternchen kreisten vor ihren Augen.
Wie gemein und hinterhältig die Handlanger der Dunklen Mächte doch waren!
Pinky ratschte die Aktentasche auf, zog den Terminkalender hervor und schlug ihn auf. »Ah, ja, da ssteht ess ja: Der Tesst findet sstatt am… äh… einundzwanzigssten!« Sie ließ den Kalender sinken und blickte scheinbar grübelnd in die Ferne. »Am einundzwanzigssten, am einundzwanzigssten?«, murmelte sie vor sich hin. »War an diessem Tag nicht wass Bessonderess?«
Der Arm von Pickel-Paule schoss in die Höhe, und er schnalzte so laut mit den Fingern, dass es Laura in den Ohren schmerzte.
Pinky schenkte ihm ein dankbares Lächeln. »Bitte, Paul?«
»Am einundzwanzigsten März ist Frühlingsanfang, Frau Taxus!«, krähte Paul mit solcher Inbrunst, als verkünde er eine nobelpreiswürdige Erkenntnis.
»Was du nicht sagst, du Schlaumeier!«, zischte Kaja ihm denn auch höhnisch zu. »Vielleicht ist das aber auch der Tag, an dem du deine verdiente Abreibung bekommst!«
»Ssehr richtig, Paul, ssehr gut!«, lobte die Pinky, verfiel aber gleich darauf erneut ins Grübeln. »Aber da war noch wass an diessem Tag, wenn ich mich recht entssinne? Wass war dass bloßs?«
J etzt spuck’s endlich aus, du blöde K uh! Laura konnte ihre Wut nicht länger bezähmen. S ag’s endlich!
Unvermittelt verengte die Taxus die Augen und schaute das Mädchen lauernd an – natürlich hatte sie seine Gedanken genau gelesen. Zufrieden lächelte sie vor sich hin. »Ach, richtig!«, rief sie wie nach einem scheinbar plötzlichen Einfall. »Am einundzwanzigssten März, da wurde früher, bei den Kelten und Germanen, das Osstarafesst begangen. Kann mir vielleicht jemand erklären, wass ess damit auf ssich hat?«
Gleich einer Hyäne ließ sie den Blick über die Klasse schweifen. Doch keiner der Schüler meldete sich. Selbst Pickel-Paule nicht. Schließlich hefteten Pinkys Augen sich auf Laura. »Kannsst du mir vielleicht weiterhelfen?« Sie klang wie die Freundlichkeit in Person. »Weißst du vielleicht, wesshalb diessess Osstarafesst so ein ganz besonderer Tag sein soll?«
Laura merkte, wie sich ohnmächtiger Zorn in ihr regte. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich, und das Blut rauschte fast hörbar durch ihre Adern.
Das war einfach zu viel!
Wütend raffte sie ihre Schulsachen zusammen und sprang auf.
»Mach bloß keinen Quatsch!«, beschwor Kaja die Freundin, aber Laura stürmte bereits zur Tür.
»Hier geblieben, sonsst ssetzt ess einen Verweis!«, zischte Pinky. Dass ein hämisches Grinsen um den Mund der Lehrerin spielte, bekam Laura allerdings nicht mehr mit. Sie war bereits auf dem Flur und warf die Klassentür hinter sich zu.
Der Rote Tod schüttelte den Kopf und grinste spöttisch. Wie dumm die Menschen doch waren und wie leicht verführbar! Und wie wenig sie sich geändert hatten in den Hunderten von Jahren, die er bereits existierte. Noch immer kannten die meisten von ihnen nur ein Ziel in ihrem schäbigen Leben: den Mammon. Dem jagten sie hinterher mit all ihren Kräften, und die Aussicht darauf machte sie zu leichten Opfern. Es genügte, mit ein paar Scheinen zu winken – und sie waren zu allem bereit. Sogar zum Verrat an denen, die ihnen Vertrauen schenkten. Und das war das Schlimmste, was es auf Erden gab.
Selbst für den Roten Tod.
Als ob Geld und Besitz zählen würden, wenn die Zeit für den letzten Gang gekommen war! Wenn abgerechnet und die Bilanz des Lebens gezogen wurde. Dann war es doch zu spät zur Reue! Nichts war mehr rückgängig zu machen, und nicht einmal alles Geld der Welt vermochte die Schuld noch zu tilgen. Aber daran dachte der Kerl wohl nicht in seiner Gier.
Daran dachte keiner von ihnen!
Ein böses Lachen entstieg seiner Kehle. Eigentlich konnte er die Menschen ja verstehen. Schließlich war es ihm selbst nicht anders ergangen – damals, vor endlos langer Zeit. Er war genauso dumm gewesen und genauso habgierig. Er hatte es einfach nicht besser gewusst – und nie darüber nachgedacht. Aber wie oft hatte er sich seitdem gewünscht, alles noch
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