Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
beinahe so selten vorkam wie eine Mondfinsternis –, wurde er stets von Attila Morduk, dem Hausmeister von Ravenstein, durch die Gegend chauffiert. Morgenstern selbst hatte Kaja noch kein einziges Mal hinter dem Lenkrad gesehen.
Und warum schaute er sich so vorsichtig nach allen Seiten um, nachdem er ausgestiegen war? Als der Schein einer Lampe das Gesicht des Professors erhellte, konnte Kaja erkennen, dass er gehetzt und sehr besorgt wirkte.
Was war nur los mit dem sonst so ausgeglichenen Mann?
Der Direktor schloss den Wagen ab und hastete dann zu seinem Häuschen. Was dem Mädchen ebenfalls verdächtig erschien. Warum ging Morgenstern nicht geradewegs zum Abendessen, zu dem er doch sonst immer pünktlich um Schlag sieben erschien? Grübelnd blickte sie dem Professor nach, der im Dunkel des Parks verschwand.
Schon wollte das Mädchen den Vorhang wieder zuziehen, als es eine Bewegung am Rande des Parkplatzes wahrnahm. Die Zweige eines großes Buchsbaumes wurden zur Seite gedrückt, und ein Mann trat hinter dem Busch hervor. Kaja erkannte ihn sofort: Es war Dr. Quintus Schwartz.
Der Chemielehrer starrte ebenfalls hinter Aurelius Morgenstern her. Sein Gesicht glich einer wächsernen Maske, und seine dunklen Augen funkelten rot. Erst als der Professor nicht mehr zu sehen war, änderte sich der starre Ausdruck im Gesicht des Dunklen: Ein spöttisches Grinsen umspielte die schmalen Lippen von Quintus Schwartz, und bevor er sich umdrehte, um sich in das Burggebäude zu begeben, glaubte Kaja ganz leise ein höhnisches Lachen zu hören.
Hatte Schwartz auf den Direktor gewartet? Und wenn ja: Worüber freute er sich klammheimlich?
W as ging da vor – verdammt noch mal?
Als ihre Armbanduhr auf elf zutickte, wurde Laura klar, dass sie die Nacht in der geheimen Bibliothek zubringen mussten. Obwohl ihre Kenntnisse über das Klosterleben nicht allzu groß waren, wusste sie dennoch, dass Mönche sich gewöhnlich früh zu Bett begaben. Schließlich mussten sie weit vor dem Morgengrauen aufstehen, um die Vigil, das erste Gebet des Tages, zu sprechen. Zu dieser späten Stunde würde deshalb keiner der Brüder mehr nach ihnen suchen.
Percy und Laura hatten die Zeit genutzt, sich eingehend in ihrem Gefängnis umzusehen, und waren dabei auf eine höchst interessante Spur gestoßen. Als sie den Bücherkatalog, in dem der komplette Bestand der Bibliothek verzeichnet war, in der Hoffnung durchforstet hatten, einen Hinweis auf das geheimnisvolle Siegel der Sieben Monde zu entdecken, waren sie nach langer Suche schließlich fündig geworden. Zumindest vermuteten sie das. Der Band, der ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte, trug den Titel »Societas Septem Sodalium« – »Die Bruderschaft der Sieben«, wie der lateinkundige Percy übersetzte. Da es das einzige Buch war, in dessen Titel die Sieben vorkam, glaubten sie, es könne Informationen über das Siegel enthalten.
Leider stand das Werk nicht an dem Platz, den der Katalog auswies. An der Stelle im entsprechenden Regal klaffte vielmehr eine Lücke – was schon verdächtig genug war. Noch viel verdächtiger allerdings erschien ihnen, dass genau vor dem Regal, in dem sich »Die Bruderschaft der Sieben« eigentlich hätte befinden müssen, die Leiche des Ermordeten lag!
Gab es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Verschwinden des Buches? War der Dieb vielleicht von Pater Dominikus auf frischer Tat ertappt worden und hatte sich nicht anders zu helfen gewusst, als den Bibliothekar umzubringen?
Ob ihre Vermutung richtig war, würde allerdings erst die Polizei klären können. Fragte sich nur, wann die ihre Arbeit aufnehmen würde.
Morgen? Oder vielleicht erst übermorgen?
Bei der Vorstellung, die Nacht in unmittelbarer Nähe eines Toten verbringen zu müssen, befiel Laura ein leichtes Gruseln. Glücklicherweise fanden sich in dem unterirdischen Gewölbe bequeme Lesesessel. Die beiden Wächter machten es sich darin gemütlich, so gut es ging. Da zudem eine überraschend milde Temperatur in dem Saal herrschte – was Laura sich ebenso wenig erklären konnte wie den fantastischen Nachthimmel an der Decke –, wurden sie alsbald von Müdigkeit übermannt und schliefen ein.
Oh, Mann – der P hysiktest!
Das war Lauras erster Gedanke beim Aufwachen. Wie hatte sie den nur vergessen können! Wie im Schock starrte sie auf die Armbanduhr: Es war Viertel vor acht! In fünfzehn Minuten begann auf Ravenstein der Unterricht. Nur fünfzehn Minuten noch, und Rebekka
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