Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
finden wird. Und viel häufiger, als mir lieb war, habe ich erleben müssen, dass sich diese Prophezeiung bewahrheitet hat.«
Morwena blickte den Ritter an. »Ich glaube, Elysion hat Recht«, sagte sie sanft. »Nach der alten Überlieferung taucht ein solcher Drache immer nur dann auf, wenn ein herausragender Vertreter des Lichts mit dem Tode bedroht ist – was im Einklang stünde mit der Botschaft der Wissenden Dämpfe.«
Paravain antwortete nicht. Der Gedanke, dass Laura in tödlicher Gefahr schwebte, ängstigte ihn so, dass sich alles in seinem Inneren dagegen sträubte, ihn zuzulassen. Doch nun kam er wohl nicht länger umhin, ihn endlich zu akzeptieren.
»Laura ist ihrem Alter weit voraus«, erklärte der Hüter des Lichts. »Sie hat den Dunklen nicht nur den Kelch entrissen und ihn zu uns zurückgebracht, sondern ist darüber hinaus auch noch allen teuflischen Fallen entkommen, die unsere Gegenspieler ihr gestellt haben.«
Der Ritter schwieg beharrlich und musterte seinen Herrn mit unstetem Blick.
»Allerdings ist sie immer noch eine Elevin«, fuhr Elysion fort. »Die besonderen Kräfte, die in ihr schlummern, sind noch längst nicht zur vollen Entfaltung gebracht worden. Wahrscheinlich ist Laura zu weit Größerem fähig, als wir alle vermuten, und wird dereinst zu einer herausragenden Streiterin des Lichts heranreifen – falls sie nicht vom rechten Weg abweicht.«
»Dann hat Morwena die Botschaft der Wissenden Dämpfe also richtig gedeutet?« In Paravains Frage schwang eine stille Hoffung auf Widerspruch mit.
»Ich habe nicht die geringsten Zweifel daran«, antwortete Elysion ungewöhnlich ernst. »Schon damals, als dieser Drache ausgerechnet während der kurzen Zeit erschienen ist, die Laura bei uns weilte, sind dunkle Ahnungen in mir aufgestiegen. Und durch die Botschaft, die die Wissenden Dämpfe Morwena übermittelt haben, sind sie nur noch verstärkt worden.«
Mit gequälter Miene wandte Paravain sich ab, schritt zum Fenster und blickte hinaus, bevor er sich wieder dem Hüter des Lichts zuwandte. »Und dennoch: Wie sollen die Dämpfe denn um dieses Mädchen wissen? Es wohnt doch auf dem Menschenstern und ist nicht in unserer Welt zu Hause.«
Der Hüter des Lichts war offensichtlich nahe daran, die Geduld zu verlieren. Der Unmut trieb ihm die Röte ins Gesicht. »Jedes Geschöpf auf Aventerra weiß, dass das Schicksal des Menschensterns untrennbar mit unserer Welt verknüpft ist. Und so gelten diese Orakelbotschaften für uns ebenso wie für die Bewohner unseres Schwestergestirns. Außerdem weißt du doch, dass Laura in der Mitsommernacht wieder nach Aventerra zurückkommen wird, um ihren Vater aus den Klauen Borborons zu befreien. Wir haben ihr fest versprochen, sie dabei nach besten Kräften zu unterstützen – oder solltest du auch das schon vergessen haben, Paravain?«
»Nein«, antwortete der Ritter kleinlaut. »Natürlich nicht.«
»Dann bin ich ja beruhigt!« Obwohl Sarkasmus Elysion für gewöhnlich völlig fremd war, schwang er nun unverhohlen in seinen Worten mit. Es schien dem Herrscher gar nicht zu behagen, dass ausgerechnet der Anführer der Weißen Garde seine Worte in Zweifel zog.
Morwena trat an den jungen Mann heran, griff nach seiner Hand, drückte sie zärtlich und lächelte ihn besänftigend an. Ohne ihn loszulassen, wandte sie sich an den Hüter des Lichts. »Habt Ihr eine Vermutung, wie diese Prüfung aussehen könnte, der Laura sich stellen muss, Herr?«
»Nein, nicht im Geringsten.« Für eine Weile blickte Elysion schweigend durchs Fenster hinaus auf die Ebene von Calderan, die sich von der südlichen Mauer der Gralsburg bis weit zum Horizont erstreckte, wo sie von den schroff aufragenden Drachenbergen begrenzt wurde. Fast schien es, als wolle er in den sich darüber auftürmenden Wolken nach einer Antwort suchen.
Alle versanken in grüblerisches Schweigen, bis der Hüter des Lichts seine jungen Gefolgsleute mit ernster Miene anblickte. »Wie immer Lauras Prüfung auch ausfallen mag, so will ich wenigstens für sie hoffen, dass sie nicht ausgerechnet das Orakel der Silbernen Sphinx lösen muss. Denn das hat in der Tat noch niemand geschafft.«
Paravain und Morwena sahen sich erschrocken an.
»Ihr wisst beide, wie sehr ich auf die Kraft des Lichts vertraue«, fuhr Elysion feierlich fort. »Aber genauso sehr hoffe ich, dass Laura diese Prüfung erspart bleibt. Denn damit wäre selbst dieses mutige Mädchen dem Untergang geweiht.«
»J a?« Dr. Quintus
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