Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
einige der Wächter hatten sich rührend um ihn gekümmert und ihm seinen Aufenthalt in der fremden Umgebung so angenehm und sicher wie möglich gestaltet. Aber dennoch: Ohne Lauras Hilfe hätte er ihn bestimmt nicht unbeschadet überstanden. Schon das Heimweh hätte ihn umgebracht. Und das hatte einzig und allein Laura zu lindern vermocht.
Alarik seufzte und ließ sich auf einem Hackklotz nieder, der inmitten gespaltener Holzscheite im Schatten eines Schuppens stand. Wenn Elysion und Morwena Recht hatten, dann schwebte Laura in höchster Gefahr. Das Dumme war nur, dass niemand ahnte, worin diese Gefahr bestand – und wo sie dem Mädchen begegnen würde. Auf dem Menschenstern oder auf Aventerra?
Ein kläglicher Laut, der an den eines hungrigen Rehkitzes erinnerte, ließ den Knappen innehalten. Sein Wams aus braunem Büffelleder beulte sich in Höhe des Brustkorbes aus, und gleich darauf schlüpfte ein putziges Pelztier aus dem Kragen hervor. Mit seiner spitzen Schnauze und den dunklen Ringen um die schwarzen Knopfaugen ähnelte es einem Waschbären. »Was ist los, Schmatzfraß?« Alarik sah seinen Swuupie verdutzt an. »Sag bloß, du hast schon wieder Hunger?«
Ein Fiepen, jämmerlicher als zuvor, war die Antwort.
Alarik schnitt dem Swuupie eine Grimasse. »Nun gut, du Vielfraß. Dann wollen wir dir mal was zu fressen suchen.« Noch bevor der Knappe sich erheben konnte, setzte das Tier sich auf seine Schulter, hob die Nase in den Wind und sog witternd die Luft ein. Dann breitete es die Fledermausflügel auf seinem pelzigen Rücken aus, flatterte aufgeregt zu Boden und bewegte sich halb fliegend, halb hüpfend auf eine Kiepe mit Duftäpfeln zu, die ganz in der Nähe an der Mauer eines Vorratsschuppens lehnte. Sein langer buschiger Schwanz, der weißbraun geringelt war, schwebte wie eine Fahne hinter ihm her.
»Nein, Schmatzfraß, nicht doch!«, rief Alarik ihm noch nach, aber da war es schon zu spät: Der Swuupie hatte bereits eine der rotwangigen Früchte mit seinen krallenbewehrten Vorderpfoten gepackt und flatterte laut keckernd zu seinem Herrn zurück.
»Lass dich bloß nicht von den Mägden erwischen!«, mahnte der Knappe. »Die ziehen dir die Flügel lang.«
Der Swuupie ließ sich durch die Vorhaltungen des Jungen nicht stören. Er machte es sich auf dessen Schulter bequem und fiel gierig über den Apfel her, den er geschickt in den Pfoten drehte. Alarik ließ ihn gewähren. Wieder schweiften seine Gedanken ab. Wenn er Laura doch nur helfen könnte! Doch solange sie sich auf dem Menschenstern befand, war das unmöglich. Nur in den Nächten der vier großen Sonnenfeste vermochte man durch die magische Pforte von der einen in die andere Welt zu gelangen. Und bis zur Mittsommernacht, dem nächsten Sonnenfest, war es noch eine geraume Weile hin. Bis zu dem Zeitpunkt würde nicht einmal Elysion, der das geheime Wissen der Zeiten hütete, Laura helfen können.
Gut – man konnte Pfeilschwinge, den Adler des Lichts, auf den Menschenstern schicken. Der Wächter der magischen Pforte war das einzige Wesen auf Aventerra, das Raum und Zeit zwischen den Welten überwinden und auf diese Weise jederzeit auf das Schwestergestirn gelangen konnte. Selbst wenn er dort nur wenig auszurichten vermochte, verlieh bereits seine Präsenz den irdischen Wächtern Mut und Zuversicht und zeigte ihnen, dass sie nicht allein waren. Was sich schon mehr als einmal als überaus hilfreich erwiesen hatte.
Und weiter?
Alarik zermarterte sich das Gehirn, wie er Laura warnen könnte, fand allerdings keine brauchbare Lösung. Schon wollte er aufgeben, als ihm die Erleuchtlinge einfielen.
Natürlich! Dass er nicht eher daran gedacht hatte!
D ie Freunde hatten die Burg schon fast erreicht, als Laura plötzlich ein klägliches Maunzen hörte. Es schien direkt aus dem mächtigen Kirschlorbeerstrauch zu kommen, der ganz in der Nähe des steinernen Standbilds des Grausamen Ritters am Rande des Kiesweges stand. Laura blieb stehen. »Habt ihr das auch gehört?«
»Was denn?« Kaja zog ein Gesicht wie ein ahnungsloser Kandidat bei einer Quizshow. »Was soll ich denn gehört haben?«
»Na – dieses Miauen«, sagte Laura gerade, als sich die Zweige am Fuße des Busches teilten und ein kleines Tier hervortapste.
Es war ein Kätzchen. Ein putziges Wesen mit schneeweißem Fell und einer kleinen schwarzen Blesse auf der Stirn.
»Oh, wie süß!«, quiekte da Kaja auch schon los. »Ist das niedlich!« Sie beugte sich zu dem Tier hinunter, nahm es
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