Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
auf den Arm und begann es zu streicheln. »Wie weich sein Fell ist! Fast so flauschig wie Wolle!«
»Wahrscheinlich ist es mit Weichspüler gewaschen«, kommentierte Lukas höhnisch. Offensichtlich hielt er wenig von Katzen, denn er machte keinerlei Anstalten, das Tier zu streicheln.
Kaja und Laura taten das dafür umso ausgiebiger. Und dem Kätzchen schien das zu gefallen. Es gab wohlige Schnurrlaute von sich, während es sich regelrecht in Kajas Arme kuschelte.
Laura kraulte das Tierchen gerade am Kopf, als es das Mäulchen öffnete, die rosige Zunge herausstreckte und eifrig am Zeigefinger des Mädchens leckte. Dazu miaute es kläglich. »Hört sich an, als hätte es Hunger«, stellte Laura fest. »Wir sollten ihm was zu fressen besorgen.«
»Oh, ja!« Kaja war sofort Feuer und Flamme. »Wir nehmen es mit auf unser Zimmer, und ich besorge Milch aus der Küche.«
»Dann lasst euch bloß nicht erwischen«, brummte Lukas. »Gemäß der Hausordnung des Internats ist das Halten von Haustieren nämlich verboten. Nur in Ausnahmefällen kann es von der Schulleitung nach schriftlichem Antrag gestattet werden!«, fügte er im strengen Ton eines wichtigtuerischen Bürokraten hinzu.
»So ‘n Quatsch!« Laura rümpfte die Nase. »Wir wollen die arme Minzi doch nur vorm Verhungern retten. Von Halten war gar nicht die Rede – oder, Kaja?«
»Natürlich nicht!« Das Pummelchen schüttelte den Kopf.
Laura grinste den Bruder an, nickte der Freundin zu, und dann strebten die beiden Mädchen mit dem Kätzchen im Arm auf das Burggebäude zu.
Lukas folgte ihnen kopfschüttelnd und warf den Freundinnen missmutige Blicke hinterher. Dass just in diesem Moment eine Gestalt hinter dem Kirschlorbeerbusch hervortrat und den Mädchen ebenfalls nachsah, bemerkte er nicht.
Es war Albin Ellerking. Auf dem Gesicht des Gärtners stand ein zufriedenes Grinsen. Seine grünen Nachtalbenaugen glitzerten vergnügt. Bevor er sich abwandte und im Park verschwand, winkte er kurz dem Denkmal von Reimar von Ravenstein zu.
Da verzog der Steinerne Ritter auf dem Rücken seines steinernen Pferdes das granitgraue Gesicht und grinste ihn komplizenhaft an.
Minzi – Laura hatte dem Kätzchen spontan diesen Namen verliehen – machte sich derart gierig über die Milch her, als habe sie seit Wochen nichts gefressen. Schon nach kürzester Zeit war der Napf leer geschleckt. Dann setzte Minzi sich schnurrend auf die Hinterbeine, wischte sich mit den Vorderpfoten über Maul und Kopf und putzte sich das Fell.
Kaja konnte den Blick nicht von ihr wenden. Mit glänzenden Augen beobachtete sie das Kätzchen. »Ist sie nicht süß? Ist sie nicht richtig niedlich?«, hauchte sie unablässig, und ihre Wangen röteten sich vor Begeisterung. »Können wir Minzi nicht behalten?«, fragte sie, und ihre Stimme klang flehentlich.
Laura biss sich auf die Lippen. Natürlich gefiel das Kätzchen auch ihr – sehr gut sogar. Und trotzdem: »Du hast doch gehört, was Lukas gesagt hat«, erklärte sie traurig.
»Wie soll denn jemand mitbekommen, dass Minzi bei uns ist?« Die Augen der Freundin wurden groß. »Sie macht doch mit Sicherheit keinen Lärm – nicht wahr, Minzi?« Damit kraulte sie dem Kätzchen das Fell und entlockte ihm Schnurrlaute.
»Und was ist mit den Stubenkontrollen?«, gab Laura zu bedenken. »Was machen wir denn, wenn Pinky plötzlich hier im Zimmer steht? Dann ist doch der Teufel los!«
»Mann, Laura«, antwortete Kaja gequält, und ihre Augen schimmerten verdächtig feucht. »Das muss doch nicht sein, oder? Außerdem können wir Minzi ja abends immer im Schrank verstecken.«
Laura biss sich auf die Unterlippe – der Gedanke wollte ihr gar nicht behagen. Andererseits war Minzi wirklich süß – überaus süß sogar.
Als habe das Kätzchen ihre Gedanken erraten, machte es ein paar tapsige Schritte auf Laura zu und begann ihre Hand zu lecken.
»Bitte, bitte, Laura«, flehte die Freundin. »Sag doch bitte ja!«
Die Berührung der rosigen Zunge ließ die Haut auf Lauras Handrücken prickeln. Das Gefühl war richtig angenehm. »Ja«, sagte sie da auch schon, worauf Kaja ihr jubelnd um den Hals fiel.
»Super, Laura! Vielen Dank! Und du wirst sehen, dass du diese Entscheidung bestimmt nicht bereuen wirst.«
Womit Kaja sich leider irrte, auch wenn sie das zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte.
D ie Siedlung der Traumspinner lag im ersten Licht des Tages. Seit undenklichen Zeiten schon wohnte das kleine Volk, das sich als einziges in
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