Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
und breit!«
Aurian antwortete nicht, sondern drehte sich im Sattel um, spähte angestrengt in alle Richtungen und sog witternd die Luft durch die Nase. Seine langen Schnurrhaare zitterten aufgeregt.
»Was hast du?«, fragte das Mädchen überrascht. »Wonach hältst du Ausschau?«
»Nach einem Graumahr!«
Lauras Verwunderung wuchs. »Warum?«
»Deine Worte deuten darauf hin, dass du unter den Einfluss eines dieser Wesen geraten sein könntest«, erklärte die Ratte, ohne die Umgebung aus den Augen zu lassen. »Vermutlich ist er dir bereits länger auf der Spur, ohne dass wir es bemerkt haben.«
Das Mädchen schaute den Gefährten nur fragend an.
»Diese Mutlosigkeit, die aus deinen Worten gesprochen hat, entspricht so gar nicht deinem Charakter. Deshalb vermute ich, dass sie dir von einem Graumahr in den Mund gelegt worden sind, der nur ein Ziel verfolgt: anderen den Mut und die Zuversicht zu rau –«
»Das weiß ich doch längst!«, maulte das Mädchen. »Und trotzdem habe ich keine Lust mehr. Ich steige jetzt ab und lege mich schlafen.«
Während Aurian sie eindringlich musterte, spiegelte sich Besorgnis in seinen schwarzen Augen. »Nein, Laura, das wirst du nicht tun!«, sagte er mit Nachdruck in der Stimme. »Wir sind fast am Ziel.«
Ungläubig blickte das Mädchen umher. »Wo ist es denn bloß, dieses Labyrinth?«
»Nur Geduld! Komm weiter. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Nur dort sind wir vor den Graumahren sicher. Denn nicht einmal die wagen sich in das Labyrinth.«
Die Ratte gab vor, Lauras wütende Blicke gar nicht wahrzunehmen, und trieb Melusine an.
Wenig später lenkte Aurian das Zweihorn in eine schmale Senke, die in eine enge Schlucht überging, der die Reiter so lange folgten, bis sie sich zu einem Talkessel weitete. Als die Ratte endlich das Zeichen zum Anhalten gab, sah das Mädchen sich einer riesigen Nebelbank gegenüber, die sich nach allen Seiten ausbreitete. Das milchige Weiß, in dem der Nebel leuchtete, verlieh ihm einen unwirklichen Anstrich. Was ist das denn?, dachte Laura gerade, als Aurian absaß und sich an Melusines Halfter zu schaffen machte.
Lauras Blick suchte Venik. Doch der junge Magier schien genau so ratlos zu sein wie sie selbst. Jedenfalls zuckte er nur mit den Schultern. »Ich sehe nichts als Nebel«, brummte sie mürrisch.
»Das ist kein Nebel«, erklärte Aurian, während er seelenruhig den Sattelgurt des Zweihorns löste. »Das ist der Atem der Drachen!«
Laura fühlte sich benommen, als sie vom Pferd stieg. Der Atem der Drachen?
»Du ziehst ein Gesicht, als hättest du noch nie davon gehört. Früher haben auch die Bewohner des Menschensterns gewusst, was es damit auf sich hat.«
»Ähm«, machte Laura nur.
»Drachen sind Meister der Täuschung«, fuhr Aurian fort. »Sie verstehen sich geschickt zu verbergen. Aber auch Drachen müssen atmen. Deshalb tarnen sie ihren heißen Atem als Nebel, wenn sie sich verstecken wollen.« Die Ratte deutete auf die Wand vor ihnen. »Mit diesem Nebel hier hat es allerdings eine ganz besondere Bewandtnis: Er verhüllt das Labyrinth der Drachenkönige, in dem seit Anbeginn der Zeit der geheime Zugang zu ihrem Palast liegt. Wer den richtigen Weg durch das Labyrinth findet, gelangt direkt ins Zentrum des Drachenreiches – in den Thronsaal des Großen Drachenkönigs.«
Das Mädchen legte die Stirn in Falten. »Und was passiert, wenn man sich darin verirrt?«
»Dann, Laura, ist man rettungslos verloren. Entweder man entdeckt den Eingang zum Drachenpalast – oder man wird ein Opfer des Labyrinths!«
Laura schluckte und warf Venik einen beklommenen Blick zu.
Der Magier war sichtlich blass geworden.
»Du kannst es dir ja noch einmal überlegen«, sagte sie deshalb rasch. »Du brauchst mich nicht zu begleiten, wenn du nicht willst.«
Venik zog die Stirn kraus und kratzte sich hinterm spitzen Ohr. »Du willst es also tatsächlich wagen?«, fragte er leise. »Trotz der großen Gefahr, die damit verbunden ist?«
Laura bemühte sich um eine feste Stimme. »Ich muss es einfach versuchen, wenn ich meine Aufgabe erfüllen will!«
Da mischte sich Aurian ein. »Dennoch solltest du bedenken, wie schwierig diese Prüfung ist. Der Pfad durch das Labyrinth ist nicht leicht zu erkennen und erschließt sich nicht auf den ersten Blick.« Beschwörend hob er die Vorderpfoten. »Wenn du auch nur ein einziges Mal in die Irre gehst, bist du verloren.«
Laura antwortete nicht. Sie war im Widerstreit der Gefühle. Furcht stieg in ihr auf,
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