Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
Drachen geliebt und verehrt wurde, beruhigte die Hitzköpfe. Der Grund für die Feindschaft der Menschen, so erklärte er seinen Brüdern, sei nur in ihrer Unwissenheit zu suchen. Deshalb wolle er dem Menschenstern einen Besuch abstatten, um dessen Bewohnern eine Friedensbotschaft der Drachen zu überbringen. »Gewalt zeugt immer nur neue Gewalt«, so sprach er zu den Mitgliedern des Großen Drachenrates, »und deshalb müssen wir die Menschen davon überzeugen, dass es besser ist, in Frieden miteinander zu leben. Nur so können wir die Welt, die uns gemeinsam anvertraut worden ist, mit all ihren Reichtümern auch für zukünftige Generationen bewahren. Ich bin sicher, dass die Menschen das verstehen werden, sind sie doch ebenso von Vernunft beseelt wie wir. Wenn wir sie also über unsere wahre Natur aufklären, werden sie erkennen, dass wir ihnen nichts Böses wollen, und endlich Frieden mit uns schließen – zumal ihnen das genauso zum Vorteil gereichen würde wie uns!«
Rahab sandte eine Botschaft an die Menschen, in der er seinen Besuch ankündigte und um eine friedliche Unterredung bat. Dann machte er sich alleine und unbewaffnet auf den Weg in die Menschenwelt. Dort wurde er schändlich hintergangen:
Die Menschen hatten ihm einen Ritter namens Georg angekündigt, der sich die Botschaft des Besuchers anhören solle. Doch das war nichts anderes als eine heimtückische Falle. Georg war nämlich ein Drachentöter, der gefürchtetste von allen, und unter seinem Gewand führte er das Schwert des Lichts mit sich.
Scheinbar aufmerksam lauschte der Ritter Rahabs Botschaft. Als der Drachenkönig geendet hatte, lachte Georg jedoch nur höhnisch auf, tat die Ausführungen als Blendwerk des Satans ab, zog das Schwert – und trieb es dem Drachenkönig mitten ins Herz. Während Rahab tödlich getroffen zu Boden sank, zersprang Hellenglanz in drei Teile – zum Zeichen, dass es für einen schlimmen Frevel missbraucht worden war.
Der Todesschrei des Drachenkönigs war bis nach Aventerra zu hören – worauf sein Bruder, ein doppelköpfiger Silberdrache, so in Wut geriet, dass er seine Mitkönige dazu veranlasste, einen Fluch über die Menschen zu verhängen: Solange der feige Mord an Rahab nicht gesühnt wäre, sollte zwischen den Drachen und den Menschen erbitterte Feindschaft herrschen, und jedes Menschenkind, das sich ungebeten ins Drachenland begebe, solle dafür mit dem Leben zahlen.
Dem heimtückischen Georg aber war klar geworden, dass das zersprungene Schwert von dem Unrecht zeugen würde, das er an dem Drachenkönig begangen hatte. Und so setzte er eine Mär in die Welt, die den Verlauf des Geschehens ins Gegenteil verkehrte: Rahab, so erzählte der Ritter, habe ihn unvermittelt angegriffen und sein Schwert zerschmettert, sodass er zu seiner Lanze greifen musste, um das Untier zur Rettung des eigenen Lebens zu töten. Die Bewohner des Menschensterns schenkten dem Ritter Glauben und verehrten ihn fortan als einen der tapfersten und edelsten aller Drachentöter. »Und noch heute verehrt man Georg als Heiligen auf dem Menschenstern«, beendete der Drachenkönig seinen Bericht.
Mit flammendem Blick sah Wiru-Wuru das Mädchen an.
»Und da wagst du es, in unser Reich einzudringen und uns um Sterneneisen zu bitten? Damit du das Schwert wieder zusammenschmieden kannst, mit dem König Rahab heimtückisch ermordet wurde?«
Laura wurde von eiskaltem Entsetzen gepackt. Ihr war längst klar geworden, dass sie keinerlei Unterstützung von den Drachen erwarten konnte. Im Gegenteil: Sie würde die ganze Härte des Fluches zu spüren bekommen, den die Drachenkönige dereinst über die Menschen verhängt hatten.
»Packt sie und werft sie ins finsterste Verlies«, befahl Wiru-Wuru den Wächtern, bevor er sich an den Horndrachen wandte. »Lasst sofort den Großen Drachenrat zusammentreten, damit wir auf der Stelle beraten, auf welche Weise dem Fluch Genüge getan werden kann.«
Schon stapften zwei hünenhafte Drachen auf Laura und Venik zu. Doch dann geschah etwas höchst Seltsames: Während der eine das Mädchen packte, griff der andere nach dem jungen Magier – und der verwandelte sich plötzlich selbst in einen Drachen, der wie eine Miniaturausgabe von Wiru-Wuru aussah!
Bevor Laura sich einen Reim auf das Geschehen machen konnte, warf Venik sich vor dem Drachenkönig nieder. »Verschont mich, Majestät!«, flehte er. »Ich bin doch einer von euch!«
»Schweig!«, donnerte Wiru-Wuru, um sich an die Wachen zu wenden:
Weitere Kostenlose Bücher