Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
Pferd. Seltsam, dachte sie. Ein See mit einer brennbaren Flüssigkeit? Doch im selben Moment ging ihr auf, dass das nicht stimmen konnte. In diesem Fall hätte doch die gesamte Oberfläche gebrannt! Ratlos wandte sich das Mädchen an den Weißen Ritter. »Was ist das denn?«
Ein verständnisvolles Lächeln spielte um Paravains Lippen. »Unser Reiseziel, Laura: die Ebene der Eisigen Flammen.«
Eisige Flammen?
So absurd diese Bezeichnung auch anmutete, hätte sie dennoch kaum treffender sein können: Obwohl die Feuerzungen gewöhnlichen Flammen glichen, strahlte der See eine solch unerbittliche Kälte aus, dass Laura schauderte.
Auch Venik verkroch sich tiefer in seinen Umhang und musterte das brennende Gewässer skeptisch.
»Siehst du den schneebedeckten Berg dort drüben?« Paravain deutete zu einer mächtigen Erhebung, die wie der Furcht erregende Schädel eines Urzeittieres am jenseitigen Ufer aufragte. »Das ist der Schauderberg. An seinem Fuß liegt der Eingang zu Beolors Höhle.«
Das Mädchen ließ den Blick suchend in die Runde schweifen. »Wie sollen wir dort hinkommen? Ich sehe nirgends einen Weg, der um den See führt.«
»Wir bitten den Fährmann, uns überzusetzen!«, erklärte Paravain lächelnd.
Am Ufer angekommen, legte der Ritter die Hände wie einen Trichter um den Mund und ließ einen lauten Ruf erschallen: »Du Meister der Schemen, Gebieter des grauen Gespinsts, uns Besuchern der Alben erweise den nötigen Dienst!«
Als gliche der Ruf einem Windhauch, der über das Wasser strich, neigten sich die Flammen zur Seite, um danach nur noch höher aufzulodern.
Laura glaubte schon, dass Paravains Bitte ungehört bleiben würde, als sich das Flammenmeer teilte und ein hünenhafter Schemen, der ständig die Gestalt wechselte, sich aus der Mitte des Feuers schob.
Ein Nebelflößer!
Inzwischen war das durchscheinende Wesen so nahe gekommen, dass Laura das graue Gewand erkannte, das ihm wie ein Dunstschleier von den Schultern floss und bis auf die Wasseroberfläche reichte.
Die Nebelkapuze fiel dem Flößer so weit in die Stirn, dass nichts von seinem Gesicht zu sehen war. Dafür aber vernahm Laura seine wortlose Stimme, die wie aus weiter Ferne durch ihre Gedanken hallte. »Wer seid ihr, Fremde? Nennt Eure Namen!«
Paravain stellte dem seltsamen Fährmann sich und die Begleiter vor. »Wir haben ein wichtiges Anliegen«, fügte er hinzu, »und bitten dich deshalb, uns zu Beolor, dem Herrn der Dunkelalben, zu bringen.«
»Nur das Mädchen und den Knaben«, entgegnete die stumme Stimme, in der keinerlei Gefühlsregung mitschwang. »Aber nicht dich, Ritter.«
In einem Anflug von Ärger verzog Paravain das Gesicht. »Und warum ihn und mich nicht?«
»Weil er noch ein Eleve ist und du nicht«, hallte es durch Lauras Kopf. »Oder solltest du vergessen haben, dass das Gebot der ›Leeren Hand‹ in ganz Aventerra gilt? Und damit auch am See der Eisigen Flammen?«
Der Weiße Ritter winkte enttäuscht ab. »Er hat Recht«, seufzte er. »Ich hatte gehofft, dass sich die Nachricht nicht bis hierher herumgesprochen hätte.« Rasch lenkte er sein Zweihorn an Sturmwinds Seite. »Nur Mut, Laura«, sagte er aufmunternd. »Du hast schon so viele Prüfungen bestanden und musst deshalb auch vor dieser nicht zurückschrecken. Denke immer daran: Im Vertrauen auf das Licht kann dir alles gelingen.«
Obwohl Laura weh ums Herz war, bemühte sie sich um eine zuversichtliche Miene. »Ich werde alles tun, um Euch nicht zu enttäuschen. Aber…« Sie schluckte. »Hattet Ihr mit diesen Dunkelalben schon zu tun?«
Paravain nickte bekümmert. »Sie haben uns übel mitgespielt. Deshalb höre auf meinen Rat, Laura: Nimm dich vor Meister Beolor in Acht. Er ist bekannt für seine Verschlagenheit. Selbst wenn er freundlich tut, ist ihm nicht zu trauen.« Damit wandte er sich an den Jungen. »Und du, Venik, halte die Augen offen und unterstütze Laura, so gut es dir möglich ist – versprochen?«
»Gewiss, Herr. Ich werde Laura beistehen, als ginge es um mein Leben.«
»Wir wollen hoffen, dass es dir gelingt, junger Freund«, brummte Paravain. An das Mädchen gewandt, fügte er hinzu: »Rufe nach mir, sobald du das Schwert des Lichts in den Händen hältst. Dann werde ich mich am vereinbarten Treffpunkt einfinden und dir helfen, deinen Vater zu befreien.«
Verwundert schaute Laura ihn an. »Ich dachte, Ihr wartet hier auf uns?«
Die blauen Augen des Ritters schimmerten geheimnisvoll. »Tu einfach, wie ich dir gesagt habe.
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