Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
wecken?«
»Lieber nicht! Vielleicht ist er noch nicht fertig, und dann wäre es fatal, seine Traumreise zu beenden!«
Zum Glück dauerte es nicht mehr lange, bis der Sportlehrer wieder zu sich kam. Wie ein Schläfer, der aus tiefem Schlummer erwacht, reckte und streckte er sich und gähnte ausgiebig, bevor er die beiden Jungen verschmitzt anlächelte.
»Und?« Lukas konnte seine Neugier nicht länger bezähmen. »Hat es geklappt?«
» C ertainement!« Percy zeigte seine weißen Zähne. »Oder ‘abt i’r etwa geglaubt, iisch ‘ätte das Traumreisen verlernt?«
»Nein, natürlich nicht«, versicherte Lukas eilig und hibbelte unruhig auf dem Schreibtischstuhl hin und her. »Dann haben Sie also was entdeckt?«
Plötzlicher Grimm zeichnete Percys Miene. »I’r werdet es niischt glauben, was iisch zutage gefördert ‘abe. Das ‘ätte iisch mir in meinen schlimmsten Träumen niischt vorgestellt!«
»Aber was denn, Percy? Sagen Sie doch endlich!«
»Wozu denn sagen? Kommt lieber mit, und schaut es eusch selber an!«
Erst im Arbeitszimmer ging Lukas auf, was Percy gemeint hatte: Der Wächter hatte nicht nur eine Traumreise in die Zeit unternommen, als das Büchlein noch im Regal gestanden hatte, sondern es auch komplett fotokopiert – und so seinen Inhalt für die Nachwelt gerettet.
»Phänotastisch!«, staunte Lukas und wollte sich schon dem Stapel Kopien zuwenden, der neben dem Kopierer lag, als der Sportlehrer ihn zurückhielt und auf die zwei Blätter deutete, die er offensichtlich aussortiert hatte. »Es reischt, wenn i’r eusch die ‘ier anschaut. Sie sind mir schon beim Kopieren aufgefallen!«
Zwei Ölgemälde waren darauf zu sehen. Obwohl Lukas alles andere als ein Kunstexperte war, erkannte er auf den ersten Blick, dass sie völlig unbedeutend waren. Die Künstler, die sie gemalt hatten, waren allenfalls begabte Laien.
Dafür aber hatten es die Motive in sich: Das eine zeigte Reimar von Ravenstein, das andere einen Unbekannten. Im Bildhintergrund aber war jeweils eine Frau zu erkennen. »Ich fasse es nicht!« Die Augen des Jungen wurden groß. »Das ist ja –«
»Syrin! Diese un’eimliische Gestaltwandlerin – genau!« Percys Miene war ernst. »Aber wenn du gelesen ‘ast, was dieser Freudenpert über die Bilder schreibt, wirst du noch viel me’r staunen!«
Der Sportlehrer hatte nicht zu viel versprochen. Aus den Ausführungen des Forschers ging nämlich hervor, dass es sich bei der Frau auf den Gemälden um die Mutter des jeweiligen Porträtierten handelte. Syrin hatte also nicht nur Reimar von Ravenstein geboren, sondern gut – dreihundert Jahre später auch den anderen Mann, einen berüchtigten Inquisitor. Lukas wollte seinen Augen nicht trauen, als er las, dass dieser Hexenjäger so fanatisch war, dass er selbst die eigene Mutter, eben Syrin, auf den Scheiterhaufen gebracht hatte! Als das Feuer erloschen war, hatte sich angeblich nicht einmal ein Knöchelchen von der Verurteilten mehr gefunden – nur ein Herz, so hart wie Stein. Allerdings tat selbst Freudenpert das als pure Anekdote und Erfindung der abergläubischen Bevölkerung ab.
Kopfschüttelnd ließ Lukas die Kopien sinken. »Das ist ja nicht zu fassen. Offensichtlich wollte Syrin auf diese Weise zur Verbreitung des Bösen beitragen!«
»Genauso se’e iisch das auch!«, bestätigte Percy Valiant. »Und i’re Brut ‘at i’r auch alle E’re gemacht, nascht wa’r?«
»Aber warum wollte Maximilian Longolius verhindern, dass jemand davon erfährt? Zum einen ist das doch schon Hunderte Jahre her und zum anderen: Was hat er mit Syrin zu tun?«
»Iisch weiß es niischt!«, erwiderte der Sportlehrer und reichte Lukas eine weitere Kopie. »Dafür ‘abe iisch noch was Interessantes entdeckt. Das ‘ier stand auf der ersten Seite, gleisch nach dem Vorsatz.«
Es handelte sich um einen Vers in einer gut leserlichen Handschrift:
»Nimm eins, zwei, drei,
dann ist’s dabei,
obwohl stets zwei sind dann zu viel.
Dem Stolz von Wales
bestimmt gefällt’s,
wenn wie Kolumbus kommst ans Ziel.«
Verwundert blickte Lukas von der Kopie auf. »Sie glauben, dass dieser Spruch von Oma Lena stammt?«
»Wenn dieses Büschlein i’r ge’ört ‘at, erscheint das doch na’e liegend, oder? Und vielleischt ist genau das die Schrift, von der auf dem Grabstein die Rede ist?«
Lukas runzelte die Stirn. »Was bedeuten würde, dass dieser Spruch uns zu ihrem Versteck führt.«
Der Lehrer grinste. »Iisch wusste doch, dass du ein
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