Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
totenbleich, und seine Augen glühten wie flüssige Lava. Während Borboron sich in Begleitung eines zweiten Mannes, dem Anführer der Schwarzen Garde, näherte, bemerkte Alienor das riesige Schwert, mit dem er gegürtet war. Bei jedem seiner Schritte teilte sich sein Umhang, sodass der mächtige Griff von Pestilenz hervorlugte. Alienor würde das Schwert nicht einmal mit zwei Händen halten können.
Als Borboron bei den Knaben angelangt war, verbeugte die Aufseherin sich so tief, dass ihre Stirn beinahe den gepflasterten Boden berührte. »Ich habe strikt nach Euren Anweisungen gehandelt, Herr«, säuselte sie und wagte nicht, dem Tyrannen ins Gesicht zu schauen. »Ich habe die kräftigsten Sklaven ausgesucht, die wir zur Zeit in Gewahrsam haben.«
Der Schwarze Fürst schenkte ihr nicht einen Blick. Wortlos schritt er die Reihen der verängstigten Jungen ab, die mit gesenkten Köpfen vor ihm standen. Hin und wieder blieb er vor einem von ihnen stehen, prüfte mit einem raschen Griff die Stärke seiner Brust- und Armmuskulatur oder den Zustand seines Gebisses, gerade so, als habe er ein Stück Vieh vor sich, das es vor dem Kauf zu begutachten galt.
Diese erniedrigende Behandlung versetzte Alienor einen Stich ins Herz. Doch sie wusste, dass sie nichts dagegen unternehmen konnte. Selbst das kleinste Aufbegehren wurde in den Mauern der Dunklen Festung grausam geahndet, und der geringste Widerstand gegen Borboron konnte den sofortigen Tod bedeuten. An Flucht war erst recht nicht zu denken. Nicht einem einzigen Sklaven war es bislang gelungen, sich lebend aus der Gewalt des Schwarzen Fürsten zu befreien. Alienor konnte also nur darauf hoffen, dass ihre Kräfte so lange reichen würden, bis sie von dem Hüter des Lichts und seinen Verbündeten befreit werden würde.
Als der Schwarze Fürst die Inspektion beendet hatte, deutete er auf einige der Jungen. »Den! Den! Und den da!«, befahl er. Seine Stimme schien aus den Schlünden der Hölle zu kommen. Sie klang so dumpf, dass eiskalte Schauer über Alienors Rücken jagten.
Wie von einem Giftschleicher gestochen, wieselte die Frau auf die angezeigten Sklaven zu und trieb sie mit Peitschenhieben aus der Reihe. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie gut zwei Dutzend der Jungen von der Gruppe getrennt hatte.
Mit zufriedener Miene nickte Borboron dem Anführer seiner Leibgarde zu. Sofort kam Leben in den Mann mit der schwarzen Rüstung, der bislang unbeteiligt dabeigestanden hatte. Er nahm Haltung an.
»Du weißt, wo du sie hinzubringen hast, Aslan! Sie werden schon sehnlichst erwartet. Also beeil dich gefälligst! Und wehe dir, wenn du auch nur einen von ihnen unterwegs entwischen lässt.«
»Keine Sorge, Herr! Meine Männer und ich werden sie ständig im Auge behalten.« Der Kommandant salutierte, bevor er wie ein bissiger Hütehund auf die Sklaven zuschoss. »Vorwärts!«, bellte er. »In Zweierreihen, marsch!« Dann machte er auf der Stelle kehrt und ging in Richtung der Stallungen davon. Die Jungen folgten ihm wie eine Herde Schafe, die zur Schlachtbank geführt wird.
Borboron schien den Anblick zu genießen, denn während er dem seltsamen Zug nachblickte, konnte Alienor ein Lächeln auf seinem fahlen Gesicht erkennen. Heißer Zorn machte sich in ihr breit, als plötzlich ein Getuschel an ihr Ohr drang. »Die Armen«, wisperte eine der Küchenmägde ihrer Nachbarin zu. »Sie werden bestimmt in die Erzminen gebracht!«
Überrascht über so viel Mitgefühl, wandte sich das Mädchen der drallen Maid zu, die eine irdene Schüssel mit grünen Sumpfbohnen auf dem Schoß hatte und sie in mundgerechte Stücke schnippelte, während sie den Unglücklichen nachsah. Sie hieß Marucha, wenn Alienor sich recht erinnerte. Alienor ging vor ihr in die Hocke. »In welche Erzminen denn?«, fragte sie flüsternd.
Marucha blickte sich verstohlen um. Doch weder der Schwarze Fürst noch sonst jemand schenkte dem Küchengesinde Beachtung, und so wandte sich die Magd wieder Alienor zu. »Auch wenn du erst wenige Monde bei uns weilst, müsstest du schon von den Minen in den Feuerbergen gehört haben.«
Alienor schüttelte nur den Kopf.
»Dort wird das Erz geschürft, aus dem die Dunkelalben die Waffen für Borborons Krieger schmieden. Die Arbeit in diesen Gruben ist entsetzlich hart und obendrein gefährlich. Tödliche Unfälle sind an der Tagesordnung, und viele der Bergleute sterben an Erschöpfung.«
»Vielleicht hat er aber auch etwas ganz anderes mit ihnen vor, Marucha«,
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