Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
wolle er seine Reiterin auf etwas aufmerksam machen.
Laut schnaufend erreichte Kraomir sein Ziel. Als Venik Lauras misstrauische Miene bemerkte, runzelte er die Stirn. »Was ist denn los?«, fragte er.
Laura wollte eben antworten, als sie aus den Augenwinkeln eine winzige Bewegung gewahrte: Das grobe Tuch, das vor dem Eingang der Hütte zu ihrer Linken hing, beulte sich ein wenig – offensichtlich hielt sich jemand dahinter verborgen!
»Vorsicht!«, flüsterte das Mädchen dem Begleiter zu, während seine Hand nach dem Griff des Schwertes tastete.
Da wurde der Vorhang zur Seite geschoben, und eine Frau schob sich zögernd ins Freie. Die Jahre hatten tiefe Kummerfalten in ihrem Gesicht hinterlassen. Sie trug ein einfaches Gewand aus dunklem Leinen und ein dunkles Kopftuch, unter dem sich einige graue Strähnen hervorstahlen. Mit scheuem Blick musterte sie die Reiter, die reglos im Sattel saßen. Plötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht und murmelte unverständliche Worte.
L ukas wollte gerade den Computer einschalten, als es an seiner Zimmertür klopfte. Überrascht blickte er zur Uhr: Es war kurz vor acht.
E igenartig!
Wer mochte ihn um diese Zeit besuchen? Fast alle Ravensteiner hatten das Internat inzwischen verlassen. Selbst Kaja hatte sich vor einer Stunde von ihm verabschiedet, wenn auch schweren Herzens und in großer Sorge. Erst nachdem er ihr versprochen hatte, sie per Handy über die Entwicklung auf dem Laufenden zu halten, war sie in die protzige Limousine geklettert, die ihre Eltern geschickt hatten.
Gespannt blickte Lukas zur Tür. »Ja?«
Zu seiner Überraschung trat Philipp Boddin ins Zimmer.
M r. C ool.
»Hey«, sagte er mit scheuem Lächeln.
Lukas erhob sich, während der Junge näher kam, und bot ihm den Schreibtischstuhl vor seinem Computer an. »Ich dachte, du wärst schon weg«, sagte er erstaunt. »Wolltest du nicht in die Berge fahren?«
»Stimmt. Ich hatte einen Kletterkurs gebucht, bevor ich mit meinen Alten Urlaub in Kreta mache.«
»Einen Kletterkurs?«, staunte Lukas. »Sag bloß, du kannst bergsteigen?«
»Yo.« Mr. Cool grinste, wie es seinem Spitznamen entsprach. »Und gar nicht mal so schlecht.«
»Aber?«
»Der Kurs ist kurzfristig abgesagt worden, mangels Teilnehmern, und ich hab keine Lust, jetzt schon mit meinen Eltern rumzuhängen«, erläuterte Philipp. »Und außerdem…«
Lukas ahnte, was kam. »Ja?«, fragte er gedehnt.
»Die Sache mit deiner Schwester… die will mir einfach nicht aus dem Kopf.«
»Aha.« Die dicke Hornbrille rutschte auf die Nasenspitze. »Und wieso?«
»Weil…« Das Gesicht von Philipp nahm einen gequälten Ausdruck an. »Weil ich überhaupt nicht mehr durchblicke, deshalb!« Er brach ab und stierte einen Augenblick lang verkniffen vor sich hin. »Ich meine… erst tut Laura so, als ob ihr was an mir liegen würde… und dann beschimpft sie mich plötzlich und behauptet, ich wäre ein mieses Schwein und ein Feigling.«
Lukas kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Lippen, während er stumm zuhörte. Er erinnerte sich nur allzu gut an den Vorfall, auf den Mr. Cool anspielte.
»Und dann, an dem Tag, an dem sie verschwindet«, fuhr der Junge fort, »taucht sie wieder bei mir auf, entschuldigt sich für alles und bittet mich um meine Klamotten, meine Strickmütze, die Jack-Wolfskin-Jacke und so wei –«
Lukas zog die linke Braue hoch. »Hast du das auch der Polizei erzählt?«
»Yo, klar!«, entgegnete Mr. Cool mit leichtem Vorwurf im Blick. »Du hast doch selbst vorgeschlagen, dass wir bei der Wahrheit bleiben sollen, wenn wir von der Kripo gefragt werden.«
»Ist ja gut«, brummte Lukas nur. Philipp hatte ja Recht. Er hatte ihm – und natürlich auch Kaja und Magda Schneider – eingeschärft, Bellheim oder seinem Assistenten die Vorgänge in der fraglichen Nacht einfach so zu schildern, wie sie sich zugetragen hatten. Andernfalls hätten sie sich wahrscheinlich bloß in Widersprüche verstrickt, was die ganze Sache nur noch zusätzlich kompliziert hätte.
U nd sie war eh schon kompliziert genug!
»Ich steig da einfach nicht mehr durch!« Anklagend deutete Philipp mit dem Zeigefinger auf Lukas. »Und deshalb…« Unruhig kippelte er mit dem Stuhl und wippte mit den Füßen. »Deshalb habe ich beschlossen, noch eine Weile hier zu bleiben. Weil ich endlich wissen will, was gespielt wird. Was ist denn mit Laura los, verdammt noch mal?«
Lukas antwortete nicht, sondern sah Mr. Cool nur aus schmalen Augen an. Sollte
Weitere Kostenlose Bücher