Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
das mit wertvollen Edelsteinen besetzt war – und wurde ganz bleich. »Meine Güte, so spät schon«, murmelte er und klatschte in die Hände.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis die Tür geöffnet wurde und eine Kammerzofe eintrat, eine unscheinbare ältere Frau von leicht gebückter Gestalt, die im Gegensatz zu den Dienern ein schlichtes dunkles Gewand trug. Ihre silbergrauen Haare waren zu einem Zopf geflochten und auf dem Hinterkopf zu einem Knoten geschlungen. Ehrerbietig verneigte sie sich vor dem Herrscher. »Majestät?«
»Es ist höchste Zeit für die Prinzessin und den Prinzen, Saiima. Bring sie bitte zu Bett, und zeige auch unseren Gästen ihre Kammern.«
Erneut verbeugte sich die Zofe. »Sehr wohl, Majestät.«
König Malik aber wandte sich an Laura. »Sollen wir euch ausschlafen lassen, oder möchtet ihr lieber geweckt werden?«
Laura wischte sich mit der goldbestickten Damastserviette über den Mund. »Es wäre schön, wenn man uns wecken könnte. Wenn möglich mit dem ersten Hahnenschrei.«
Maira und Merinik schnitten Grimassen, während Königin Auli sagte: »Dann müsst ihr beim Frühstück auf die Gesellschaft von uns dreien verzichten. Nur mein Gemahl steigt so früh aus den Federn.«
»Das ist schade. Dann wollen wir jetzt von Euch Abschied nehmen und Euch für Eure Gastfreundschaft danken«, antwortete Laura mit entschuldigendem Lächeln. »Wir haben nämlich viel vor am morgigen Tag, und meine Großmutter sagte immer: ›Wer nicht anfängt, wird nicht fertig!‹«
Zu Lauras Verwunderung war ihr, als sei Saiima bei diesen Worten überrascht zusammengezuckt und habe ihr einen erstaunten Blick zugeworfen. Als sie die Zofe jedoch näher in Augenschein nahm, war davon nichts mehr zu bemerken.
M itten in der Nacht schreckte Lukas plötzlich aus dem Schlaf. Er fuhr in seinem Bett hoch und blickte sich verwirrt um. Die Uhr auf seinem Schreibtisch war nur ein Schemen. Erst nachdem er die Brille aufgesetzt hatte, konnte er die Leuchtziffern erkennen: Viertel vor eins.
Eigenartig, dachte er. Das ist mir noch nie passiert.
Für gewöhnlich schlief er so tief, dass er nicht vor dem Klingeln des Weckers erwachte. Plötzlich erinnerte er sich, was er unmittelbar vor dem Aufwachen geträumt hatte: von einem Drachen mit zwei Köpfen. Er war über und über mit grünen Schuppen besetzt gewesen, besaß zwei mächtige Flügel und einen langen, schlangengleichen Schwanz. Das Ungeheuer hatte ihn mit heiserem Brüllen verfolgt.
War er deshalb aufgewacht?
Der Traum verwirrte ihn. Er träumte nur selten.
Der zweiköpfige Drache war allerdings verblüffend realistisch gewesen. Sofern man Geschöpfe, die einem im Traum begegneten, überhaupt so bezeichnen konnte. Selbst jetzt sah Lukas das Schuppenmonster so deutlich vor Augen, als sei es ihm leibhaftig begegnet.
Plötzlich erinnerte Lukas sich, dass Laura ihm von einem zweiköpfigen Drachen erzählt hatte, den sie in der Ostaranacht auf Aventerra gesehen hatte. Aber Laura hat nur die beiden Köpfe erwähnt, dachte der Junge und fuhr sich durch sein verstrubbeltes Haar. Dass dieser Drache mir so überaus realistisch vorgekommen ist, kann nichts mit ihrer Erzählung zu tun haben.
A ber womit denn dann?
Lukas zog eine Grimasse und kratzte sich am Kopf, während er versuchte, den seltsamen Traum zu begreifen. Ist ja auch egal, sagte er sich schließlich und wollte schon wieder aufs Kissen zurücksinken, als er das Brüllen hörte: Wie aus weiter Ferne hallte der Furcht einflößende Laut an sein Ohr. Das Gebrüll hatte sich genauso angehört wie das des Monsters in seinem Traum!
Lukas schlüpfte wieder unter seine Bettdecke. Wie komme ich nur auf einen solch dummen Gedanken? Es gibt keine Drachen! Zumindest nicht auf der Erde.
In diesem Moment klang das Brüllen erneut an sein Ohr. Wieder schien es weit entfernt zu sein – doch er hatte es deutlich gehört.
Lukas schlug die Decke zurück, sprang mit einem Satz aus dem Bett und eilte zum Fenster. Er schob den Vorhang zur Seite und spähte hinaus. Doch da war nichts: Vom Schein des Mondes in einen silbrigen Glanz getaucht, präsentierte sich der Park von Ravenstein in gewohnter nächtlicher Stille. Nirgendwo war etwas Verdächtiges oder Außergewöhnliches zu entdecken.
U nd schon gar kein D rache!
Lukas wollte gerade wieder ins Bett schlüpfen, als er einen Lichtschein bemerkte: Im Wohnhaus der Lehrer, das nicht weit von der Burg im Park lag, flackerte es hinter einem der Fenster im zweiten
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