Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
Stock auf. Als durchsuche jemand das Zimmer mit einer Taschenlampe. Lukas stockte der Atem, denn er wusste genau, dass das Fenster zum Arbeitszimmer von Percy Valiant gehörte. Der Sportlehrer hatte es all die Jahre mit Marius Leander geteilt, bevor dieser nach Aventerra verschleppt worden war.
Der blonde Lehrer hatte Ravenstein am Nachmittag zusammen mit Miss Mary verlassen, um die Englisch- und Französischlehrerin in deren schottische Heimat zu begleiten, wo er ein paar Tage ausspannen wollte.
Der Lichtschein war kaum wahrzunehmen, denn die dicken Vorhänge hinter dem Fenster waren zugezogen. Doch je länger Lukas dorthin starrte, umso sicherer war er, dass dort jemand herumschnüffelte. In dem Arbeitszimmer befanden sich weder Geld noch sonstige Wertsachen – daher konnte es sich kaum um einen gewöhnlichen Einbrecher handeln.
Aber was hatte der oder die Unbekannte dann mitten in der Nacht dort zu suchen?
Lukas beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen.
D er Wald glich einem Märchenwald. Die dicht belaubten Kronen der Baumriesen ließen nur wenige Lichtstrahlen ins Unterholz dringen. Winzige Staubkörnchen und kleine Insekten tanzten darin. Der Waldboden war mit einer dicken Schicht aus vermodertem Laub und verrottenden Pflanzen bedeckt, sodass Laura die eigenen Schritte nicht hörte. Nie zuvor hatte sie diesen Wald betreten – und doch erschien er ihr auf seltsame Weise vertraut. Endlich lichtete sich der Forst, und zwischen den Bäumen schimmerte vor ihr ein Gemäuer auf.
Wie magisch angezogen, ging Laura darauf zu. Während das Mädchen noch überlegte, wo es die Ruine schon einmal gesehen hatte, trat eine Frau in sein Blickfeld.
M ama!
Entsetzen stand in Annas Gesicht. Sie gestikulierte wild, deutete in Lauras Richtung und rief panisch: »Laura! Sei vorsichtig, Laura!«
Schon hörte Laura Schritte in ihrem Rücken, ein Tapsen, das näher und näher kam. Kalte Schauer jagten über den Rücken des Mädchens, und der zarte Haarflaum auf seinen Armen richtete sich auf. Laura warf sich herum, um dem Grauen beherzt ins Auge zu sehen – als sie aus ihrem Traum aufschreckte und im Bett hochfuhr. Im ersten Moment wusste sie gar nicht, wo sie sich befand. Zitternd blickte sie sich um. Dann, ganz allmählich, ging es ihr auf: auf Burg Gleißenhall, in der Kammer, die Saiima ihr am Vorabend zugewiesen hatte. Durch das hohe Fenster, das auf den Hof der Burg hinausging, flutete fahles Mondlicht.
Laura atmete erleichtert auf, und ihr Puls beruhigte sich wieder. Nichts weiter als ein Traum! Eben wollte sie sich wieder auf das Kopfkissen zurücksinken lassen, als sie die Schritte von neuem hörte. Sie kamen vom Burghof.
Wieder spürte Laura die Armee winziger Eistrolle, die über ihren Rücken marschierte. Dennoch verspürte sie den Drang, den Geräuschen auf den Grund zu gehen. Nach kurzem Zögern schlug Laura die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Als sie zu dem Leuchter griff, der auf dem Nachttisch stand, fiel ihr ein, dass sie nichts besaß, mit dem sie die Kerze anmachen konnte. Saiima hatte vergessen, ihr Zündhölzer dazulassen.
Doch wozu verfügte sie eigentlich über besondere Kräfte? Laura lächelte unwillkürlich, während ihre Augen schmal wurden und sie die Kraft ihrer Gedanken auf den Docht konzentrierte. Gehorche mir!, befahl sie im Stillen. Füge dich der Kraft des Lichts!
Nur einen Augenblick später flammte die Kerze auf und tauchte das Zimmer in ein spärliches Licht.
Da bemerkte sie, dass die gespenstischen Schritte verstummt waren. Laura trat ans Fenster, schob den Tüllvorhang zur Seite und blickte hinaus: Im Burghof, direkt unter ihrem Fenster, stand eine Frau. Sie war in ein weißes Gewand gekleidet, das vor Nässe troff.
Laura schluckte.
W er mochte das sein?
Da hob die Frau den Kopf und blickte ihr direkt ins Gesicht – es war ihre Mutter.
A nna L eander!
Das Mädchen wich erschrocken einen Schritt zurück. Der Kerzenhalter fiel zu Boden und zerschellte mit lautem Geklirre. Die Flamme erlosch. Schlotternd starrte Laura auf die Trümmer – bevor sie sich erneut ans Fenster wagte und sich mit angehaltenem Atem vorbeugte.
Der Burghof war menschenleer.
A ls Lukas das große Portal hinter sich schloss und auf die Freitreppe hinaustrat, die in den Innenhof der Burg führte, wehte ihm laue Nachtluft ins Gesicht. Die sanfte Brise trug den Duft frischen Heus heran, das auf den umliegenden Wiesen trocknete. Als der Junge die Stufen hinunterhuschte, wurde ihm bewusst,
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