Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
Kerzen brannten, wirkte das Leuchten, das von den zierlichen Wesen ausging, weniger hell. »Darf ich Euch eine Stärkung anbieten?«, fuhr Elysion mit wohlmeinendem Schmunzeln fort. »Wildblütennektar vielleicht oder frisch gepressten Königsfrüchtesaft?«
»Gerne, mein Gebieter«, antwortete Virpo, der der Ältere genannt wurde, obwohl er kaum eine Stunde früher als seine Begleiter aus der Larve geschlüpft war. Dazu verneigte er sich untertänig. »Wenns vielleicht der Nektar sein dürfte? Am Saft der Königsfrüchte können wir uns nahezu täglich laben. Im Gegensatz zu Euch Stampffüßlingen stellt es für uns kein Problem dar, an die Fliegenden Bäume zu gelangen.«
»Bloß keine Beleidigungen, Herr Virpo!« Der Hüter des Lichts lächelte nachsichtig und drohte dem vorlauten Wesen spielerisch mit dem Zeigefinger, bevor er eine von Morwenas Elevinnen herbeirief, die das Gewünschte aus der Küche beschaffen sollte.
»Bitte nehmt Platz!« Elysion wies auf die breite Lehne seines Thronsessels. »Und lasst mich den Grund Eures Besuches wissen.«
Während Virpo sich rechts von ihm niederließ, setzten sich Yirpo und Zirpo auf die linke Lehne und lauschten ihrem Anführer. »Wir bitten Euch und die Krieger des Lichts um Hilfe, Herr«, hob dieser an. Sein Puppengesicht nahm einen verzweifelten Ausdruck an. »Borboron, der Finsterling, hat uns von unserer angestammten Feierstätte vertrieben.«
Der Hüter des Lichts runzelte überrascht die Stirn, sodass sie beinahe der Borke einer verwitterten Kiefer glich. »Ihr meint das Leuchtende Tal, in dem Ihr Euch seit Urzeiten am Ende des Sommers versammelt?«
Virpo nickte so heftig, dass das blonde Lockenhaar flatterte.
»So ist es, so ist es!«, bekräftigten auch seine Gefährten.
»Am Tag, an dem Licht und Dunkelheit im Gleichgewicht stehen, finden sich sämtliche Mitglieder unseres Volkes aus den verschiedensten Regionen Aventerras dort ein«, fuhr Virpo fort. »Wir feiern, singen und tanzen und sammeln Kräfte für die Monde des schwindenden Lichts. Zudem nehmen wir die frisch geschlüpften Flatterflügler in unsere Mitte auf und machen sie mit ihrer schwierigen Aufgabe vertraut.«
»Ich weiß, Herr Virpo.« Elysion nickte. »Ihr sorgt dafür, dass die Miesemotten, Zauderlinge und Gramkriecher nicht überhand nehmen – und wie all die Geschöpfe sonst noch heißen mögen, die überall nur schlechte Stimmung und Unmut verbreiten.«
»Ihr sagt es, Gebieter!« Der Flatterflügler fuchtelte aufgeregt mit den feingliedrigen Armen. »Unsere Jungen schlüpfen aus den Larven, die sich während der Lichtmonde beim ersten Sonnenstrahl des Tages aus den Tropfen des Morgentaus formen. Seit Anbeginn der Zeiten führt das Schicksal sie auf schnellstem Wege in das Leuchtende Tal, das versteckt auf der Ostseite der Feuerberge liegt. Dieses Wissen ist jedem von uns Flatterflüglern bereits in die Larve gelegt, wenn ich es so ausdrücken darf. Erst dort, an der Stätte, an der sich bereits unsere Vorfahren versammelt haben, erfahren die jungen Flatterflügler von ihrer Bestimmung.«
Ritter Paravain, der neben der Heilerin Morwena an der großen Tafel saß und dem hauchzarten Geschöpf bislang stumm zugehört hatte, erhob sich und trat näher an die seltsamen Wesen heran. »Ich weiß, dass Euer Volk, so klein seine Zahl auch sein mag, eine überaus wichtige Aufgabe zu erfüllen hat. Wenn es den Miesemotten und ihren Verwandten gelingt, Wankelmut und Zaghaftigkeit zu verbreiten, kommt das Borboron und seinen finsteren Absichten zugute!«
»Ganz recht, ganz recht!«, ereiferten sich Yirpo und Zirpo.
»Und deshalb ist es natürlich wichtig, dass Ihr Eure vielfältigen Erfahrungen auch an Eure Nachkommen weitergebt.«
»Genau! Genau!«, schwirrten die feinen Stimmchen der Flatterflügler durch den Thronsaal.
»Auf den Felshängen, die das Leuchtende Tal säumen, stehen vier große Spiegelsteine verteilt«, erklärte Virpo. »Nur am Tage der Herbstnacht, an dem sich das Licht und die Dunkelheit im Gleichgewicht befinden, steht die Sonne so über dem Tal, dass ihre Strahlen von den vier Steinen in solcher Weise gespiegelt und gebündelt werden, dass das gesamte Tal für einige Stunden von strahlend hellem Licht überflutet wird. Auf dieses Licht sind wir Flatterflügler angewiesen wie andere Wesen auf die Luft zum Atmen. Während dieses besonderen Tages baden wir darin und nehmen so viel wie möglich in uns auf. Das Licht verleiht uns nicht nur die Fähigkeit zum Leuchten,
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