Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Internatsgärtner.
Die Erinnerung an ihre fassungslosen Mienen ließ Laura schmunzeln. Offensichtlich hatte keiner der Dunklen damit gerechnet, dass sie ihren Ausflug auf den geheimnisvollen Schwesterstern der Erde, von dessen Existenz die wenigsten Menschen etwas ahnten, lebend überstehen würde. Sie hatten wohl darauf gehofft, dass sie dem Schwarzen Fürsten Borboron, dem grausamen Anführer der Dunklen Mächte, in die Falle gehen und von ihm getötet werden würde. Oder dass sie zumindest ihrem Vater Marius würde Gesellschaft leisten müssen, der von dem Tyrannen über viele Monate im Verlies der Dunklen Festung gefangen gehalten worden war. Doch Laura hatte sich nicht überlisten lassen. Mit der Kraft des Lichts hatte sie selbst die heimtückischsten Finten der Feinde durchschaut und war ihnen am Ende entkommen.
Wie schon so oft in den letzten Monaten!
Dennoch – die Fehde war noch lange nicht vorbei. Allen bisherigen Niederlagen zum Trotz würden sich die Dunklen Mächte niemals geschlagen geben und auch weiterhin alles daran setzen, um im Kampf gegen die Krieger des Lichts endlich die Oberhand zu gewinnen. Dann aber würde die Herrschaft des Ewigen Nichts anbrechen, und die Erde und Aventerra wären dem Untergang geweiht. Das aber durfte nicht geschehen.
Niemals!
Das Schnauben ihres Hengstes riss Laura aus ihren Gedanken. Sturmwind war in einen leichten Trab gefallen und lief nun über verstepptes Brachland dahin, auf dem hohe Gräser und Wildblumen wucherten und das auf beiden Seiten von lichten Hainen gesäumt war. Verwundert blickte Laura sich um. Die Gegend war ihr nicht vertraut. Offensichtlich war Sturmwind vom üblichen Weg abgewichen und hatte die nähere Umgebung von Ravenstein längst hinter sich gelassen. Die Sonne stand bereits tief am wolkenlosen Oktoberhimmel, sodass das Mädchen unwillkürlich auf seine Armbanduhr blickte. Laura erschrak: Schon so spät! Sie musste schleunigst umkehren und zurückreiten, wenn sie rechtzeitig am Hof von Bauer Dietrich ankommen wollte. In einer halben Stunde war sie dort mit ihrem Vater verabredet, um mit ihm nach Hohenstadt zu fahren. Sayelle Leander-Rüchlin, ihre Stiefmutter, hatte die ganze Familie gebeten, sich pünktlich zum gemeinsamen Abendessen im Bungalow einzufinden. Und nun hatte Laura sich so weit vom Stall entfernt, dass das selbst für den flinken Sturmwind kaum zu schaffen war.
»Oh, Mann«, murmelte Laura. »Sayelle wird bestimmt wieder Theater machen!«
Die Miene des Mädchens verdüsterte sich, selbst das helle Blau von Lauras Augen schien dunkler zu werden. Unwirsch schüttelte sie den Kopf, sodass die schulterlangen blonden Haare flogen, als wolle sie den Gedanken an die verhasste Stiefmutter wie eine lästige Bremse verscheuchen.
Laura zügelte ihr Pferd, um umzukehren, als sie bemerkte, dass sie den Fuß einer kegelförmigen Kuppe erreicht hatten, und erkannte, wo sie sich befanden: Der Hügel lag auf dem Gemeindegebiet von Drachenthal und wurde von dessen Bewohnern ›Teufelskuppe‹ genannt. Er ähnelte der Erhebung, auf der Burg Ravenstein errichtet worden war, wurde im Unterschied zu dieser jedoch nicht von einem mittelalterlichen Festungsbau gekrönt, sondern von einem alten Haus, dessen Konturen sich scharf vor dem Blau des Himmels abzeichneten. Das düstere Gebäude war ungefähr zur gleichen Zeit wie Ravenstein errichtet worden, stand aber im Gegensatz zu der Burg, die seit dem vorletzten Jahrhundert das gleichnamige Internat beherbergte und deshalb stets voller Leben war, seit langer Zeit leer. Laura konnte sich nicht daran erinnern, davon gehört zu haben, dass es jemals bewohnt gewesen wäre. Jetzt allerdings stieg eine deutlich sichtbare Rauchfahne aus dem Schornstein in den Himmel auf.
Seltsam, ging es ihr durch den Kopf. Wer traut sich denn in das alte Spukhaus?
Ohne dass sie hätte erklären können, warum, trieb Laura Sturmwind mit leichtem Schenkeldruck an und lenkte ihn näher. Schon kurze Zeit später hatten Pferd und Reiterin den Zaun erreicht, der das weitläufige Gelände umgrenzte. Er bestand aus dicken Metallstäben, die im Laufe der Jahre Rost angesetzt hatten. Sie waren übermannshoch und wurden von dolchähnlichen Spitzen gekrönt, die offensichtlich Eindringlinge abschrecken sollten. Hinter dem Zaun stand eine lichte Reihe alter Bäume – Eichen, Buchen und Ahorn. Als Laura durch die Baumstämme spähte, um einen Blick auf das alte Gemäuer zu erhaschen, stieg ihr mit einem Mal ein seltsamer Geruch in
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