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Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Maiwald
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mich nicht zu kuschlig fühle, heißt meine Startseite im Internet ›Spiegel Online‹, und da ist ja praktisch täglich Untergang des Abendlandes angesagt, vor allem, seit es die Spielerei »Eilmeldung« gibt, ganz oben auf der Seite in hellgelb. Oder ist es kanariengelb? Oder gar mauve?

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Sieger sehen anders aus
    W as mich an Laura erstaunt, ist einerseits ihre Hingabe an Kitsch, andererseits ihr klares, radikales Formenbewusstsein, wenn ausnahmsweise ich es mal bin, der Dinge anschleppt, die ästhetisch auf der Kippe stehen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich Golf spiele. 1 Das ist heutzutage längst kein Statussymbol mehr, sondern hat schon beinahe den Ruch einer opportunistischen Beschäftigung für soziale Emporkömmlinge. Wie auch immer: Ich übe diesen Sport sehr gern aus, wobei »sehr gern« genau so verstanden werden muss wie in dem Satz »Ich atme sehr gern«. Wer nun Golf spielt, egal auf welchem Niveau, bekommt im Laufe der Zeit unweigerlich ein paar Pokale verliehen. Nichts Großes, nichts Wertvolles, aber doch schöne Erinnerungen an jene Tage, an denen alles gut lief und man obendrein noch unfassbares Schwein hatte. Zumeist sind es keine Pokale im engeren Sinn, sondern silberne oder gläserne Schalen, auf |155| deren Innenfläche das Logo des Golfclubs, das Turnier, das Datum, der Preis (»3.   Netto«) und der Sponsor stehen.
    Unsere Wohnung ist, seit unsere Töchter auf der Welt sind, leider nicht groß genug, um all meine Einrichtungswünsche zu erfüllen (Bibliothek im englischen Landhausstil inklusive an den Regalen angebrachter Leiter; Billardzimmer mit Bierkühlschrank; Kinosaal mit sechzehn Sitzen und Toshiba-Beamer). Um genau zu sein, konnte ich auf den uns zur Verfügung stehenden 79   Quadratmetern auch vor der Geburt unserer Töchter nichts davon realisieren. Also habe ich in meinem Arbeitszimmer/neuerdings Kinderzimmer eine Ecke für alles geschaffen, was ich im Golf gewinnen konnte. Es ist nicht viel, die durchschnittliche Ausbeute eben nach acht Jahren, aber zum Wegschmeißen oder auf dem Dachboden einstauben lassen nun wirklich zu schade. Zumal wir keinen Dachboden haben. Wenn ich von schlechten Runden nach Hause komme, werfe ich einen Blick auf das Regal, um mich zu trösten. Siehst du, sagen die Schalen zu mir, es gab Tage, da konntest du spielen, und diese Tage werden wiederkommen.
    Doch dann entdeckte Laura diese Ecke. Sie sah mich an, als hätte ich eine Pornosammlung vor ihr verborgen gehalten. Du spinnst, sagte sie sinngemäß. Auf Italienisch klang es silbenreicher und drastischer. Dann entweihte sie entschlossen meinen Trostaltar, so als wäre ausgerechnet für italienische Katholiken pompöse Symbolik etwas Unanständiges.
    |156| Laura hat unser Wohnzimmer unter anderem mit folgenden Gegenständen dekoriert: einem weinenden Porzellanhasen mit herabhängenden Ohren, der sich verschämt die Pfoten vor die Augen hält; einem Windspiel mit winzigen Goldfischen aus Muranoglas; hölzernen Buchstützen in Delfinform (überhaupt, dieser Delfinkult. Sind doch auch nur Tunfische in Dessous); Plastikbilderrahmen, von Plastikrosen umrankt; gefärbte Kerzen in Form von Muscheln, Cocktails oder kleinen Landschaften.
    Meiner offenbar völlig unmaßgeblichen Meinung nach sind meine Siegestrophäen nicht am untersten Ende dieser Liste anzusiedeln. Wie kommt Laura also darauf, dass die Schalen vor jeglichen Blicken verborgen bleiben müssten? Sie stehen nämlich jetzt bei uns zwar prominent in der Wohnung. Aber anders. Die zwei Glasschalen im Küchenregal bewahren Alleskleber, Nähgarn, Pflaster und Kugelschreiber auf. Eine der Silberschalen dient auf dem Wohnzimmertisch als letzte Ruhestätte verfaulender Bananen. Die zweite Silberschale steht auf der Kommode im Flur. In sie werden Schlüsselbunde, Postkarten, Tand und irrlichternde Wäscheklammern geworfen. Ich fühle mich missbraucht und beschmutzt. Ich würde das Laura gern sagen. Ich weiß nur nicht, was das auf Italienisch heißt.

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Lob des Handwerks
    G rado ist eine Insel. Aber Grado ist auch eine Kleinstadt, in der, wie in einem Bilderbuch für Kinder, jeder Beruf genau einmal vertreten ist. Da gibt es einen Schuhmacher, eine Schneiderin, einen Polizisten, einen Apotheker, einen Bäcker, einen Fischauktionator, einen Zahnarzt und einen Krimskramsladenbesitzer, in dessen Geschäft man den ganzen Rest findet.
    Und nicht nur das: Hier sehen die Menschen auch noch kongruent zu ihrem Broterwerb aus. Der Schuhmacher trägt

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