LAURA und der Kuss des schwarzen Dämons - Freund, P: LAURA und der Kuss des schwarzen Dämons
Telefonaten mit Kaja überrascht hatten.
Wieder klangen die seltsamen Laute an seine Ohren. Sollte es tatsächlich einer der Schüler wagen, sich um diese Zeit noch auf dem Hof herumzutreiben? Es ging schließlich schon auf Mitternacht zu, wie ihm ein rascher Blick auf die Uhr auf dem Schreibtisch zeigte.
Yannik war plötzlich hellwach. Die Neugierde trieb ihn aus dem Bett. In seinem bodenlangen weißen Nachthemd – in Glaremore Castle gab es nicht nur exakte Vorschriften für die Schuluniform, sondern selbst für die Nachtwäsche! – ähnelte er einem Schlossgespenst, während er auf bloßen Füßen zum offenen Fenster huschte, die Gardine zur Seite schob und hinunter in den Innenhof der historischen Festung lugte.
Glaremore Castle war nicht nur älter als Burg Ravenstein – es war rund zweihundert Jahre früher errichtet worden –, sondern auch um einiges größer. In den Anfangsjahren hatte es reinen Verteidigungszwecken gedient. Im Laufe der Jahrhunderte war der Festungsbau jedoch unzählige Male umgebaut und um zahlreiche Spitztürme, reich verzierte Erker und schmuckvolle Zinnen erweitert worden, sodass es nun eher an ein malerisches Märchenschloss erinnerte als an eine finstere Trutzburg. Als Yannik Glaremore Castle zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte, war er dennoch etwas enttäuscht gewesen. Insgeheim hatte er nämlich darauf gehofft, dass es etwas von einer verwunschenen Zauberburg wie Hogwarts an sich haben würde. Aber Hogwarts lag nun mal im Reich der blühenden Fantasie und nicht in der rauen schottischen Realität!
Als sich Yanniks Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er die spitzen Türmchen und die Zinnen des Westflügels deutlich erkennen. Sie zeichneten sich nämlich als dunkler Schattenriss auf dem Pflaster des Innenhofs ab und teilten ihn in eine dunkle und
eine hellere Hälfte. Im ersten Moment konnte er nichts Verdächtiges ausmachen, keine lebende Seele, keine Bewegung, nichts. Dann aber erblickte er in der hintersten und zugleich dunkelsten Ecke des Hofes eine gedrungene Gestalt, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit einer überdimensionalen Kanonenkugel aufwies.
Kein Zweifel – das war Randy Rabid!
Der »tollwütige Randy«, wie die Schüler von Glaremore Castle den bei fast allen verhassten Deutschlehrer Randolf Hase unter sich nur nannten. Wobei Yannik natürlich wusste, dass der Spitzname auch eine zweite, weit schlüpfrigere Bedeutung hatte.
Randolfs Figur war einfach unverwechselbar. Auf seinen kurzen stämmigen Beinen thronte ein fast kugelrunder Körper – sein Bauch hatte die perfekte Wölbung einer Kuppel! –, auf dem völlig übergangslos ein viel zu kleiner Kopf saß. Seine fast grotesk abstehenden Ohren, die stechenden Augen hinter der runden Nickelbrille und sein penibel gepflegter Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart, der ihn wie die Karikatur eines preußischen Hofbeamten aussehen ließ, waren in der Dunkelheit natürlich nicht zu erkennen. Dennoch war sich Yannik absolut sicher, dass es sich bei der dunklen Figur in der äußersten Hofecke nur um Randy Rabid handeln konnte.
Doch wer waren die beiden anderen Gestalten, die ihm dort Gesellschaft leisteten? Oder ihm sogar aufmerksam lauschten, wenn sein Eindruck nicht trog?
Beim ersten Hinsehen hatte Yannik sie noch für Büsche oder Sträucher gehalten. Sie waren nämlich mehr als doppelt so groß wie Randy und wurden von weit ausladenden Formen überragt, die an bizarre Äste oder Zweige erinnerten. Aber in dieser Ecke des Hofes gab es gar keine Büsche – und auch keine Sträucher! –, und so musste sich hinter diesen seltsamen Gestalten etwas anderes verbergen.
Fragte sich nur was?
Obwohl Yannik das nicht eindeutig erkennen konnte, war eines für ihn klar: Es mussten Wesen der Dunkelheit sein. Geschöpfe der Nacht, denn Randy Rabid führte schließlich die Dunklen von Glaremore Castle an. Ein ziemlich verschlagener Haufen, mit dem nicht zu spaßen war. Aber Randy war mit Abstand der Schlimmste von allen! Er war ein glühender Anhänger der Finsternis, der seine Ziele mit geradezu fanatischem Eifer verfolgte und den verblichenen Dr. Quintus Schwartz deshalb fast wie ein harm- und zahnloses Schäfchen erscheinen ließ. Weshalb sollte sich der tollwütige Randy die Nacht um die Ohren schlagen, wenn es nicht seinen dunklen Zielen diente?
Nur zwei Minuten später besaß Yannik die endgültige Gewissheit: Nachdem Randy eine letzte eindringliche Mahnung an die geheimnisvollen Gestalten gerichtet hatte
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