LAURA und der Kuss des schwarzen Dämons - Freund, P: LAURA und der Kuss des schwarzen Dämons
Schulordnung, nach der jeder Internatszögling die um zweiundzwanzig Uhr beginnende Nachtruhe einzuhalten hatte und seinen Wohntrakt danach nicht mehr verlassen durfte. Jeder Verstoß dagegen war mit strengen Strafen belegt, und so war Miss Mary, getreu der altbewährten Devise ›Was Pinky nicht weiß, macht Pinky nicht heiß‹, lieber auf Nummer sicher gegangen.
Auch das Wetter war auf Lauras und Lukas’ Seite. Am Himmel über der Burg ballten sich dicke Wolken, gegen die das Mondlicht nicht die geringste Chance hatte. Tiefe Finsternis verhüllte den Innenhof, sodass Laura beim Öffnen des Portals in ein einziges schwarzes Loch starrte. Kein Wunder, dass sie die dunkle Gestalt nicht bemerkte, die sich im Tordurchgang versteckte und die Geschwister beobachtete.
Zum Glück gewöhnten sich Lauras Augen rasch an die Dunkelheit, aus der sich allmählich die Konturen der steinernen Stufen und der riesigen Säule schälten, die das Dach über der Treppe trug. Und natürlich auch die großen Marmorskulpturen, die die erste Stufe flankierten. Es waren zwei grimmige Löwen mit großen Adlerflügeln, die den Aufgang zu bewachen schienen.
»Ich hoffe, die beiden sind in der Zwischenzeit nicht eingerostet«, brummte Lukas, während er die geflügelten Löwen misstrauisch musterte. »Wir haben sie doch schon seit Jahren nicht mehr um Hilfe gebeten.
« Dann drehte er sich um und linste hoch zur gewaltigen Säule, die die Form eines mit unergründlicher Miene in die Ferne starrenden Riesen hatte. »Was für Portak übrigens genauso gilt.«
»Ach was«, sagte Laura leichthin. »Der reimende Riese und Latus und Lateris stehen doch schon seit Jahrhunderten im Dienste des Lichts und werden uns mit Sicherheit alle überdauern. Also steig schon auf.« In diesem Moment fiel ihr etwas ein. Sie machte einen Schritt auf Lukas zu und sah ihn prüfend an. »Hör mal, wenn es dir lieber ist, ziehe ich die Sache allein durch. Wegen deiner Flugangst, meine ich.«
»Nein, nein, schon gut«, wehrte Lukas ab, auch wenn seine Stimme ein wenig zitterte. »Alles halb so wild. Das ist doch nicht unser erster Ausflug mit den beiden Streithähnen. Ich habe mich inzwischen schon fast daran gewöhnt.«
»Sicher?«
»Klar!«, gab der Bruder eine Spur zu forsch zurück. »Sogar ganz sicher.«
Während Lukas auf den Rücken des rechten Löwen kletterte, schwang sich Laura auf den linken, streckte die Arme aus und deutete mit den Zeigefingern auf die von einer imposanten Steinmähne umwallten Köpfe. Der geheime Spruch, mit dem die Wächter des Lichts die Fabeltiere schon seit Anbeginn der Zeiten aus ihrem steinernen Schlaf weckten, kam fast von selbst über ihre Lippen:
»Hört zu, ihr Löwen rechts und links,
die ihr die Brüder seid der Sphinx.
In dieser Stunde höchster Not
auch ihr gehorcht des Lichts Gebot
und löst euch nun aus totem Stein,
damit ihr könnt behilflich sein.«
Nur Augenblicke später spürte Laura kräftige Muskeln zwischen ihren Schenkeln: Lateris erwachte aus seiner Erstarrung. Auch in die Marmorfigur, auf die Lukas geklettert war, kam mehr und mehr Leben, bis schließlich ein tiefes Grollen aus beiden Löwenkehlen über den verlassenen Burghof hallte.
»Nicht so laut!«, rief Laura den fantastischen Helfern zu. »Es soll doch niemand mitbekommen, was wir hier treiben.«
»Ich bitte vielmals um Verzeihung, Madame !«, erwiderte Lauras Löwe mit gedämpfter Reibeisenstimme. »Aber die Freude, die meinen Bruder Latus und meine Wenigkeit befallen hat, weil Ihr endlich wieder unsere Dienste in Anspruch nehmt, ist so groß, dass wir unserer Begeisterung schon ein bisschen Ausdruck verleihen mussten.«
»Das dürft ihr gerne tun. Nur eben etwas leiser, wenn ich bitten darf.«
»Gewiss doch, Madame «, meldete sich nun auch Latus zu Wort. »Aber leider hat mein Bruder sich nicht immer im Griff und trifft so manches Mal nicht den richtigen Ton.«
»Was?« Lateris sah ihn aus seinen großen Löwenaugen aufgebracht an. »Das musst gerade du sagen! Wer war es denn, der uns durch seine unbedachte Plapperei in Lebensgefahr gebracht hat, als wir im Jahre des Herrn 1541 dem leibhaftigen Mephistopheles begegnet sind? Das warst du und niemand sonst!«
»Stimmt gar ni – «, hob Latus schon an, aber da ging Laura dazwischen, auch wenn sie sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte: Die beiden waren noch die gleichen Hitzköpfe und Streithähne wie eh und je!
»Bitte beruhigt euch«, mahnte sie die geflügelten Löwen. »Ich habe
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