Laura - Venezianisches Maskenspiel
und winkte. Stirnrunzelnd trat er näher ans Fenster und blickte in die Richtung. Drunten kam eine hell beleuchtete Gondel vorbei, eine Gruppe junger Leute saß darin und winkte zurück. Domenico musterte sie mit schmalen Augen, bis er eine seiner Cousinen erkannte, die heftig zurückwinkte und etwas hinaufrief.
„Du hast tatsächlich eine bezaubernde Frau“, hörte er seinen Freund, der neben ihn getreten war, sagen. „Eine ganz besondere sogar, die nicht nur schön, sondern auch klug ist. Und doch spricht ganz Venedig schon davon, dass du ein sehr leidenschaftliches Verhältnis mit einer anderen hast – eine verheiratete Frau vermutlich, deren Ehemann wiederum cicisbeo bei der Gattin eines anderen spielt?“
„Und wie verheiratet! Aber ihr Ehemann hat nicht die geringste Absicht, bei einer anderen als ihr selbst den cicisbeo zu spielen. Er hat sich lange genug närrisch aufgeführt und es wird Zeit, dass er Vernunft annimmt.“ Domenico riss sich nur mit Mühe von Lauras Anblick los und wandte sich seinem um einige Jahre jüngeren Freund zu, der ihn erstaunt betrachtete. „Willst du an meiner Stelle den alten Palazzo Morsini mieten? Er ist sehr günstig gelegen, nahe der Piazza San Marco, du hättest von dort nicht weit, wenn die Glocken den Großen Rat zur Versammlung rufen.“
Paolo lächelte müde. „Der alte Palazzo Morsini gar? Nun, ich habe schon davon gehört, du weißt ja, wie schnell sich so etwas in Venedig herumspricht. Mein lieber Freund, du hast dir diese Geliebte einiges kosten lassen. Willst du dich jetzt von ihr trennen? Ist ihr Ehemann mit einem Mal eifersüchtig geworden oder hast du entdeckt, dass deine eigene Frau ebenfalls sehr reizvoll und überaus liebenswert ist?“
Domenico grinste, halb verlegen, halb zufrieden. „Beides.“
„Beides?“ Paolo hob die Augenbrauen. „Sag nicht ...“, sein trübsinniges Gesicht hellte sich bei dieser Vorstellung auf, „... sag nicht, du bist cicisbeo bei deiner eigenen Frau!“
Domenicos Grinsen verstärkte sich. „Und wenn es so wäre?“
Paolo schlug ihm lachend auf die Schulter. „Dann habe ich also die Wahrheit erraten, als ich vor kurzem Petrarca zitierte: ‚Mit seiner Kraft siegt Amor über Menschen, Götter’ – und sogar über Domenico Ferrante! Keine schlechte Wahl, mein Freund, wenn auch eine ungewöhnliche, da es sich um deine Ehefrau handelt!“ Er klopfte seinem Freund auf den Rücken, dann seufzte er.
„Wahrhaftig, wie sehr ich dich beneide, Domenico. Ich wollte, ich könnte dasselbe auch von meiner zukünftigen Gattin sagen. Diejenige, die die Familie jedoch für mich ausgewählt hat, besitzt keine der Tugenden wie deine Laura.“
„Das mag wohl stimmen. Deshalb solltest du es dir noch einmal überlegen, ob du nicht die Liebe über deine Pflicht stellst. In Zeiten, wo man sich die Aufnahme ins Goldene Buch erkaufen kann, wird es wohl auch eine Lösung für Verliebte geben. Lass mich darüber nachdenken, vielleicht fällt mir etwas ein.“
Domenico hatte sich wieder dem Fenster zugewandt, in der Hoffnung, schnell einen Blick auf Laura werfen zu können. Zu seiner Verwunderung hatte sich die Szenerie da draußen jedoch grundlegend verändert. Eine mit bunten Lampions beleuchtete Gondel war vorgefahren. Darin saßen zwei Männer mit Mandolinen, einer stand daneben und ein weiterer – mit schwarzer Maske, Dreispitz und Mantel – warf Kusshände zu Lauras Fenster hinauf. Und sie stand – von Kerzen beleuchtet – hinter dem Fenster, lächelte dieses unwiderstehliche Lächeln und winkte zurück. Domenico erstarrte.
„Unverschämter Kerl“, knurrte er zwischen den Zähnen. Er riss das Fenster auf, um alle vier zum Teufel zu schicken, aber da hatten die beiden Mandolinenspieler schon begonnen, ihr Liedchen zu zupfen, und der Sänger bemühte sich, den Lärm der anderen zu übertrumpfen.
„Malignazo!“, fluchte Domenico, wandte sich um, rannte beinahe seinen sprachlosen Freund um, hinaus aus dem Palast und – da ihm der direkte Weg durch den Kanal versperrt war – eine Gasse entlang, durch eine Schar fröhlicher Masken hindurch, über eine Brücke, bis er zur Rückseite seines eigenen Hauses kam. Verdammter Kerl, dem würde er es schon austreiben, vor dem Fenster seiner Frau Ständchen zu bringen! Er hatte ihn nur zu gut erkannt! Es war Ottavio, sein nichtsnutziger Vetter, der viel zu viel um seine Frau herumscharwenzelte.
Laura stand kichernd am Fenster und winkte zu Ottavio hinab, als plötzlich ihre Tür
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