Laura - Venezianisches Maskenspiel
aufgestoßen wurde und Domenico hereinstürmte. Er zerrte sie vom Fenster weg, riss es auf und beugte sich hinaus. „Mach, dass du hier verschwindest!“, brüllte er hinaus. „Scher dich zum Teufel! Und lass deine bezahlten Schergen vor anderen Fenstern grölen!“
Als der andere keine Anstalten machte das Weite zu suchen, und im Gegenteil noch alle vier höhnisch hinauflachten, musste Laura fassungslos mitansehen, wie ihr ehemals kühler, zurückhaltender Ehemann mit der Hand am Degen aus dem Zimmer stürzte. Sie zog sich das warme Schultertuch enger und lehnte sich aus dem Fenster, um zu sehen, was darunter vor sich ging. Alles, was sie jedoch noch erkennen konnte, war die Bugwelle der Gondel, die schon unter der nächsten Brücke verschwunden war. Die Sänger hatten nicht mehr darauf gewartet, dass Domenico sie erreichte, sondern gemacht, dass sie das Weite suchten.
Dafür sah sie ihren Gatten. Er hielt sich an einer der Säulen, die das kleine Dach über dem Eingang stützten, fest, lehnte sich weit hinaus und sandte den Insassen der Gondel eine Flut von venezianischen Kraftausdrücken nach, die sie bei ihm niemals erwartet hätte. Sie konnte nur hoffen, dass niemand auf die Idee kam, Anzeige gegen ihn zu erstatten. Öffentliches Fluchen galt zwar nicht mehr als kapitales Verbrechen wie noch vor einhundert Jahren, es gab jedoch trotzdem immer noch genug Spione, die sich auf den Straßen herumtrieben und über das Tun und Lassen der Leute Berichte an den Rat der Zehn oder direkt an die drei Inquisitoren ablieferten.
Als Domenico wieder zu Laura zurückkam, war sein Gesicht finster. Er holte tief Luft. „Du wirst nicht mehr ans Fenster gehen, hast du mich verstanden?!“ Dieser Befehl war lächerlich, ebenso wie seine Eifersucht, aber so etwas kam eben heraus, wenn ein Mann dumm genug war, sich in seine Frau zu verlieben! Er verlor langsam und sicher seinen Verstand und sein Selbstbewusstsein und machte sich zum Narren. Es war zum Verzweifeln!
Lauras Gesicht drückte blanke Verblüffung aus.
„Und wenn wir schon dabei sind: Ich weiß, dass es in dieser Zeit üblich ist, seinem Ehemann nicht den nötigen Respekt zu zollen, und es als elegant gilt, sich hinter seinem Rücken über ihn lustig zu machen – aber du solltest mich besser ernst nehmen, Laura!“
„Aber, das tu ich doch!“, erwiderte sie entrüstet. „Trotzdem“, fügte sie in Gedanken hinzu, sah schnell weg und verbiss sich nur mit Mühe ein Kichern bei der Erinnerung daran, wie Domenico dort unten an der Säule hängend der Gondel Flüche nachgeschickt hatte.
Er musterte sie misstrauisch, wie sie da stand, mit gesenktem Kopf, einem verräterischen Zucken um die Mundwinkel. Dann trat sie einige Schritte zum Fenster und sah hinaus. Etwas schräg auf der anderen Seite des Kanals lag der Palazzo von Paolo. Was hatte ihr Blick hinüber zu Paolos Haus zu bedeuten? Ob sie auf irgendeine Weise herausgefunden hatte, dass er dort gewohnt hatte, als er vorgab, die Stadt zu verlassen? Zuzutrauen war es ihr. Schließlich hatte sie sich als weitaus gewitzter und klüger erwiesen, als er noch vor einem Jahr vermutet hätte. Lachte sie ihn jetzt etwa aus?
„Sieh mich an!“
Sie wandte den Kopf. Ein bezauberndes Lächeln erschien und Domenicos Augen saugten sich an diesem lächelnden Mund fest. Erinnerungen an heiße Küsse, an den Moment, wo diese Lippen ihn umschlossen hatten, überwältigten ihn – und seine Eifersucht und sein Zorn lösten sich in nichts auf. Er hörte leichte Schritte hinter sich und das Rascheln von Seidenröcken. Sofia erschien in der Tür. Sie warf einen neugierigen Blick auf Laura, dann wandte sie sich Domenico zu.
„Was war denn nur, Domenico? Warst du das etwa, der sich so erregt hat?“ Domenico würdigte sie keiner Antwort, bemerkte aber sehr wohl den Blick voller Widerwillen, den Laura ihr zuwarf. Laura, die immer zu allen Leuten so liebenswürdig war, musste einen besonderen Grund haben, ihren Gast nicht zu mögen. Ob sie wohl ahnte, wer diese junge Frau tatsächlich war? Er spürte, wie sich seine Kehle zuschnürte. Er trat auf sie zu und nahm ihre Hand, damit sie ihn ansah und er in ihren Augen lesen konnte. Der dunkle Ausdruck darin verschwand zu seiner Erleichterung, als sie sich ihm zuwandte.
„Marina holt mich in einer Stunde ab, um mich zum Ball zu begleiten. Willst du nicht mitkommen, Domenico? Ich weiß, du machst dir nicht viel daraus, aber ich würde mich freuen.“
Er hatte zwar ursprünglich nicht auf
Weitere Kostenlose Bücher