Laura - Venezianisches Maskenspiel
den Ball gehen wollen, da ihm solche Festivitäten zuwider waren, aber nun war der Gedanke, mit ihr zu tanzen, vielleicht hinter ihr an einem der Spieltische zu stehen, von den anderen unbemerkt über ihre Schultern und ihre Arme zu streifen, sich heimlich an sie anzulehnen und sie dabei zu beobachten, wie sie ganz im Spiel und der Aufregung aufging, plötzlich verführerisch. Außerdem schien sie es tatsächlich zu wollen, und das war schon Grund genug für ihn, es zu tun. Er fühlte plötzlich den unerwarteten wie unwiderstehlichen Drang in sich, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen, sie auf Händen zu tragen, alles zu tun, um sie glücklich zu machen.
Er musste zweimal tief durchatmen und sich räuspern, bevor er antworten konnte. „Ich gehe gerne mit, Laura, wenn es dir Freude macht. Aber wenn Marina dich abholt, dann werde ich dich dort auf dem Ball erwarten, da ich zuvor noch etwas Wichtiges zu erledigen habe. Ich verspreche dir, ich werde keinen Moment später dort eintreffen als du.“ Er griff nach ihrer Hand, hauchte einen Kuss darauf und versank für Sekunden in ihren Augen, bevor er sich energisch von ihr löste, um sie für die nächsten Stunden zu verlassen. Je eher er seine alten Angelegenheiten regelte, desto besser.
„Wir sehen uns gewiss ebenfalls auf dem Ball.“ Er machte eine höfliche Verbeugung Richtung Sofia, aber die trippelte zu seinem Ärger neben ihm her und die Treppe hinunter.
„Laura scheint eine sehr lebenslustige Frau zu sein, nicht wahr? Und sie muss überglücklich sein, gleich von mehreren Männern so hofiert zu werden wie von ihrem eigenen Gatten. Aber sie ist auch ein wenig zu eifersüchtig für eine Dame, die sich zu benehmen weiß. Es schien ihr gar nicht recht gewesen zu sein, dass Ottavio heute Abend mein Begleiter sein soll.“ Sie beendete ihren Satz mit einem kleinen, amüsierten Lachen, aber Domenico hielt mitten im Schritt inne, packte sie am Arm und zerrte sie einige Stufen hinauf bis in sein Arbeitszimmer. Er schloss die Tür, wandte sich ihr zu und fragte in scharfem Ton: „Wie darf ich das verstehen?“
Sofia lächelte unschuldig. „Ach, ganz harmlos, mein Lieber. Aber es ist doch so, dass wir Frauen so unsere kleinen Geheimnisse haben. Und ich bin dennoch erstaunt, wie schnell sie sich der eleganten Art des Lebens angepasst hat. Wie sie selbst mir erzählt hat, war sie bis vor eurer Heirat ja noch in einem Kloster.“
„Mir gefällt die Art nicht, wie du über meine Frau sprichst, Sofia. Lauras Lebenswandel und ihr Benehmen sind über jeden Zweifel erhaben. Und wenn diese Ansicht für mich gilt, dann auch für alle anderen.“ Er musterte sie eingehend. „Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
Sofia fächelte sich mit ihrem kleinen Tüchlein Luft zu. „Gewiss, Domenico. Aber ich verstehe nicht deinen Ärger, ich habe doch nichts gegen Laura und Ottavio gesagt und ...“
„Du hast meine Meinung dazu gehört. Richte dich bitte danach. Und abgesehen davon erwarte ich ernsthaft, dass du deine Sachen packst und abreist oder wieder zu Marina ziehst. Ich werde heute Abend am Ball mit ihr darüber sprechen. Ich weiß wirklich nicht, was dir dabei eingefallen ist, hierher zu kommen und sogar hier zu wohnen!“ Die Erwähnung von Ottavio und ihr Hinweis darauf, dass es zartere Bande zwischen seinem Vetter und Laura geben könnte, ließ heftigen Zorn in ihm aufwallen, deshalb fuhr er sie schärfer an, als er es sonst getan hätte. Sie traf damit jenen wunden Punkt, der ihm schon die ganze Zeit zu schaffen machte und seine Eifersucht nicht einschlafen ließ.
„Das wäre ich auch nicht, wenn ich auch nur geahnt hätte, mit welcher Lieblosigkeit du mich begrüßt! Mich, die fast zwei Monate lang deine Geliebte war ...“
„Ich habe dir einen Brief geschrieben und alles erklärt.“
„Ich habe keinen Brief bekommen!“
Er fasste sie an ihren Schultern und sah sie eindringlich an. „Es tut mir leid, Sofia. Aber ich habe schon am ersten Tag versucht, dir alles klarzumachen. Es war immer nur ein Verhältnis – eine Affäre – zwischen uns, und es konnte nie mehr werden. Das hast du gewusst, als du mich in Paris aufgesucht hast. Schließlich war ich damals schon verheiratet. Du kanntest sogar meine Frau und warst bei der Hochzeit.“ Er lächelte reumütig. „Es war mein Fehler, ich hätte deinen Reizen nicht nachgeben dürfen. Aber bitte, tu uns beiden einen Gefallen und verlasse das Haus.“
Sofia machte sich los, trat einen Schritt zurück und
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