Laura - Venezianisches Maskenspiel
betrachtete ihn lauernd.
„Meinst du, ich würde dir nicht ansehen, was los ist? Du hast eine Schwäche für dieses Klostermädchen entwickelt. Wenn es nicht so traurig wäre, würde ich darüber lachen.“
„Ich kann absolut nichts Lustiges dabei finden, wenn ein Ehemann seine Frau schätzt“, erwiderte Domenico scharf.
Sie warf mit einem spöttischen Lachen den Kopf zurück. „Hast du keine Angst, ich könnte Laura etwas sagen? Was glaubst du wohl, wie dieses dumme Ding reagieren würde? Ob es dich dann immer noch so anhimmeln würde? Dich verliebt anstarren, wenn du nicht hersiehst? Oder würde sie dir in Zukunft ihre Tür versperren?“
Genau diese Angst hatte Domenico tatsächlich. Er atmete tief ein und versuchte ruhig zu bleiben. „Es bleibt dabei, Sofia. Du wirst das Haus verlassen. Ich werde den Diener anweisen, dich zurück zu Marina zu bringen. Immerhin bist du Carlos Verwandte und nicht unsere. Und ich würde dir nicht raten, Laura auch nur zu beunruhigen. Glaube mir, du würdest es bereuen.“
Domenico wandte sich ab und ließ sie einfach stehen. Er war zornig auf Sofia, musste aber auch über etwas nachdenken, was er soeben gehört hatte. Was hatte sie gesagt? Laura würde ihn verliebt anstarren, wenn er nicht hinsah? Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. Es wurde Zeit, sein Leben und seine Ehe in Ordnung zu bringen. Und damit musste er bei seiner ehemaligen Geliebten anfangen, die ihm täglich Briefe sandte und offenbar dachte, sie könnte die Vergangenheit wieder lebendig werden lassen. Und dann musste er mit aller Entschlossenheit dafür sorgen, dass Sofia abreiste, falls seine Aufforderung immer noch auf taube Ohren gestoßen war.
Unfassbar, in welchen Schwierigkeiten er mit einem Mal steckte. Er, der seine Mätressen und sein Leben immer so mühelos in der Hand gehabt hatte. „Das kommt eben davon“, dachte er gereizt, „wenn man sich in seine eigene Frau verliebt.“
Missverständnisse und Intrigen
M arina hatte Laura nicht nur abgeholt, um mit ihr gemeinsam zum Ball zu gehen, sondern brachte sie danach auch heim. Laura hatte gehofft, mit Domenico fahren zu können, aber diesen Gedanken hatte Marina ihr schnell vertrieben. Nichts war uneleganter und lächerlicher, als mit seinem Ehemann bei einem Ball aufzutauchen und ihn wieder mit ihm zu verlassen! Das war ja fast so, als wäre eine Frau zu hässlich oder zu dumm, um einen Verehrer zu finden! Laura hatte gedacht, dass es weitaus weniger Ehre einbrachte von einem bezahlten Patrizio Pompes zum Ball geleitet zu werden als von einem gutaussehenden Ehemann wie Domenico, hatte sich jedoch dreingefunden. Und nun saß Pompes mit Marinas Begleiter in einer anderen Gondel, da Marina einiges mit ihrer Schwägerin zu bereden hatte.
Die Gondeln glitten an teilweise prächtigen, beleuchteten Patrizierhäuser vorbei, die neben halb verfallenen Häusern standen, deren bunte Bemalung schon abblätterte und deren Fensterscheiben zerschlagen waren. Laura mochte das nächtliche Venedig, wenn überall an den Haustoren die Fackeln und Laternen brannten, und die Gondeln beleuchtet waren. Dunkle Gassen, die selbst am Tag düster waren, deren Häuser so eng beieinander standen, dass man sie mit ausgestreckten Armen oder sogar nur angewinkelten Armen berühren konnte, und wo eine Dame ihren Reifrock seitlich hochheben musste, um überhaupt durchgehen zu können. Um mehr Platz für Wohnraum zu schaffen, hatten viele Hausbesitzer sogenannte ‚Hundsbärte’, hinausbauen lassen – Holzkonsolen, die die Obergeschosse trugen, jedoch nur noch zur Dunkelheit in den Straßen beitrugen. Domenico hatte ihr erzählt, dass die strengen Gesetze bald erwirkt hatten, dass in der Hauptgeschäftsstraße die Dachvorsprünge abgetragen werden mussten, damit mehr Licht in die düstere enge Straße gelangen konnte. Und irgendwann war jemand auf die Idee gekommen, Hausvorsprünge nur gegen Bezahlung zu erlauben. Die prunksüchtigen Venezianer hatten dann, weil sie ihre Häuser nicht mehr mit hervorspringenden Verzierungen schmücken durften, auf flache Reliefs und Malereien zurückgegriffen, die Laura nun im Schein der Laternen und Fackeln betrachtete, als die Gondel langsam daran vorbeizog. Sie hörte Marinas Geplauder nur mit halbem Ohr zu und betrachtete die Leute auf den Brücken, die aneinander vorübereilten, sich drängten, ohne sich jedoch anzustoßen. Maskierte Adelige, lustige Masken aus dem Volk, einfache Menschen, die sich nicht weniger vergnügten. Venedig
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