Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lauras Bildnis

Titel: Lauras Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Boetius
Vom Netzwerk:
Steaks ruinierten Gaumen die erstaunlichsten Nuancen chlorophyllhaltiger Substanzen heraus. Spinat, Salbei, Schnittlauch, Minze, Rosenkohl, Paprika, Petersilie, Broccoli und noch anderes, von dem ich den Namen nicht wußte. Es gab auch meergrünen Seetang und vorweg eine blaßgrüne, kalte Gurkensuppe. Die verschiedenen Kräuter und Gemüse waren nur leicht gedämpft und mit etwas Essig angemacht.
    ‘Wenn es dir zu fade ist, kannst du selbst nachwürzen’, sagte Laura in einem Ton, der mich von jeglicher Versuchung in dieser Richtung abhielt.
    Später saßen wir auf dem geblümten Sofa und streichelten uns. ‘Es kann bald der Zeitpunkt kommen, daß ich mit dir schlafen möchte’, sagte sie. Es klang, als kündigte sie etwas so Nebensächliches wie einen Spaziergang an.
    Wir trennten uns erst gegen Morgen. Ich ging in meine Wohnung und legte mich angezogen aufs Bett.
    Auch wir haben einen Berg des Windes in unserer Gegend. Er ist nicht so hoch und eindrucksvoll wie der Ihre, Madame und Monsieur, doch ist er ein hervorstechendes Landschaftsmerkmal unserer Gegend. Ein ehemaliger Vulkan. Von der Grundfläche her soll er der größte Europas sein. Es sind nur etwa sechzig Kilometer von der Stadt bis zum Gipfel des von Wäldern und Torfmooren bedeckten flachen Basaltkegels. Von dort ziehen sich Längstäler in alle Himmelsrichtungen hinab, Furchen, in denen sich bei Regen oder Schneeschmelze das Wasser sammelt, bis sich radial verlaufende Flüsse bilden, die die das Massiv umgebende Ebene gliedern.
    Hierher wollte ich mit Laura, als gälte es, sich einen Überblick zu verschaffen über unsere Situation. Die Idee war nachts entstanden. Wir hatten ihre Verwirklichung vom Wetter abhängig gemacht.
    Als ich erwachte, wurde meine Erwartung noch übertroffen. Es ging ein kühler Wind, und der Himmel war von einer Reinheit, wie es selten in diesen Breiten ist. Ich rief im Museum an und sagte dem Pförtner, daß ich verreisen müsse. Tatsächlich sollte ich am Abend in einer Kleinstadt in der Nähe einen Vortrag halten. Es hätte allerdings gereicht, wenn ich am Nachmittag gefahren wäre.
    Auf dem Weg zu Laura holte ich Brötchen. Wir frühstückten zum zweitenmal in dieser familiären Stimmung, die ungewöhnlich ist zwischen Menschen, die sich erst drei Tage kennen.
    Laura hatte sich Knoops Auto geliehen, einen erdbeerroten Chevrolet mit wulstigen Chromverzierungen. Ich mochte es nicht, wie man in den Sitzen versank, doch Laura schien es zu genießen. ‘Wir haben auch einen solchen Schlitten in Australien’, sagte sie. Ich spürte einen scharfen Schmerz, als hätte mich ein spitzer Gegenstand in der Herzgegend getroffen.
    Laura drehte das Radio an. ‘Machst du mir eine Zigarette?’ sagte sie. Ich drückte den Anzünder und verteilte Tabak in einem Zigarettenpapier. ‘Unsere erste Reise’, sagte Laura. Ich schloß die Augen und wartete auf das Schnappen, mit dem der Anzünder aus dem Armarturenbrett sprang.
    Je höher wir kamen, um so schärfer wurde der Wind, um so klarer die Farben, um so tiefer das Blau des Himmels.
    Die Straße war leer. Bei einem spektakulären Blick hielten wir und stiegen aus. Wir folgten dem Sog der Weite ein Stück auf eine Wiese, die sich in endlosen Wellen in lilafarbene Tiefen zu verlieren schien. Wir umarmten uns und standen lange so im Wind. Lauras fliegende Haare nahmen mir die Sicht.
    Dann fuhren wir weiter und suchten einen Platz abseits der Straße. Ich war müde und fühlte mich krank. Inmitten der Symptome einer beginnenden Erkältung hielt sich ein trunken machendes Glücksgefühl.
    Wir fanden einen abgelegenen Grashang, den man von der Straße aus nicht einsehen konnte. Wir hatten eine Decke mitgenommen und legten uns eng aneinander im Windschatten einer Weißdornhecke nieder.
    Ich schlief fast augenblicklich ein.
    Als ich erwachte, spürte ich ihre Finger an meinen Augen. ‘Während du geschlafen hast, hat hier eine Spinne angefangen, ihr Netz zu bauen’, sagte sie. ‘Vielleicht will sie deinen Blick fangen.’ Sie lachte und drückte mich an sich. Ihre Locken fielen über mein Gesicht und beugten die Sonnenstrahlen zu regenbogenfarbigen Reflexen.
    Ich mußte wohl Fieber haben, denn mir war abwechselnd heiß und kalt. Laura half mir auf und hakte mich unter. Sie war von aufregender Mütterlichkeit.
    Wir kehrten in einem Gasthof ein und aßen fett, schlecht und salzig. Ich entsann mich nicht, je lustvoller gespeist zu haben. Wir waren die einzigen Gäste. Doch waren alle Tische

Weitere Kostenlose Bücher