Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
können, als er es bei dem einzigen Quaere dreier Worte tat, die so unzeitig in seine steckenpferdlichen Sprünge hineinfuhren.
Mein Onkel Toby dachte dabei nichts Böses – er rauchte seine Pfeife in ungetrübter Ruhe weiter; – sein Herz dachte nicht daran seinen Bruder zu verletzen; – und da sein Kopf selten herausfand, wo denn eigentlich der Stachel lag, der jenen aufgebracht hatte, – so ließ er meinem Vater immer Zeit sich abzukühlen. – Dies Mal brauchte er fünf Minuten und fünf und dreissig Sekunden dazu.
Bei Allem was gut ist! sagte mein Vater, der sobald er zu sich kam zu schwören anfing und seine Beteurung den Fluch-Pandekten des Ernulphns entnahm – (dies war jedoch, um meinem Vater Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ein Fehler, in den er, wie er Dr. Slop in der Sache mit Ernulphus sagte, so selten verfiel als irgend Jemand auf der Welt) – bei Allem was gut und groß ist, Bruder Toby, sagte mein Vater, käme Einem nicht die Philosophie so sehr zu Hilfe, – du könntest Einen ganz außer sich bringen. – Unter der Lösung der Nasen, von der ich dir sprach, verstand ich, wie du leicht hättest merken können, wenn du mir auch nur ein Gran Aufmerksamkeit geschenkt hättest, die verschiedenen Erklärungen, welche Gelehrte verschiedener Art der Welt über die Ursache der kurzen und langen Nasen gegeben haben. – Dafür gibt es nur eine Ursache, gab mein Onkel Toby zur Antwort, – wenn die Nase eines Menschen länger ist als die eines andern, so ist es, weil es Gott so gefallen hat. – Das ist die Lösung von Grangousier, sagte mein Vater. – Er ist es, fuhr mein Onkel Toby fort, indem er empor schaute und die Unterbrechung meines Vaters nicht beachtete, der uns Alle erschaffen, und uns solche Formen und Verhältnisse und zu solchen Zwecken gegeben hat, wie es seiner unendlichen Weisheit gefiel. – Das ist eine fromme Erklärung, aber keine philosophische, sagte mein Vater; – es ist mehr Religion darin als gesunde Wissenschaft. – Es war mit meines Onkels Toby Charakter nicht unvereinbar, dass er Gott fürchtete und die Religion hochachtete. – Sobald daher mein Vater seine Bemerkung schloss – begann mein Onkel Toby seinen Lillabullero eifriger (aber auch noch falscher) als gewöhnlich zu pfeifen.
Was ist aus dem Garnwickel meiner Frau geworden?
86. Kapitel
Gleichviel! – als Zugehör zum Nähen mochte der Garnwickel für meine Mutter von einigem Werte sein; – als Zeichen im Slawkenbergius war er für meinen Vater wertlos. Slawkenbergius war ja auf jeder Seite ein reicher Schatz unerschöpflichen Wissens für meinen Vater; – er konnte ihn nicht aufschlagen, ohne etwas für sich zu finden; und oft, wenn er das Buch schloss, pflegte er zu sagen: Wenn alle Künste und Wissenschaften auf der Welt nebst den Büchern, die von ihnen handelten, verloren gingen, – wenn die Weisheit und Kunst der Regierungen jemals, pflegte er zu sagen, durch Mangel an Gebrauch vergessen werden könnte; und ebenso alle Staatsmänner, welche über die starken und schwachen Seiten der Höfe und Reiche geschrieben, – und nur Slawkenbergius übrig bliebe – so würde man in ihm, pflegte er zu sagen, in jeder Richtung soviel finden, dass man die Welt wieder in Gang bringen könnte. Er war somit wirklich ein Schatz, eine Vorschrift, die Alles enthielt, was über Nasen und sonst zu wissen notwendig war: – Morgens, Mittags und Abends war Hafen Slawkenbergius seine Erholung und sein Ergötzen: er war beständig in seiner Hand: – man hätte darauf schwören mögen, es sei ein kirchliches Gebetbuch, – so abgenützt, so geglättet, so verrunzelt und so von Zeigefinger und Daumen abgearbeitet war es von einem Ende zum andern.
Ich bin kein solcher Anbeter von Slawkenbergius, wie mein Vater: – er hat ohne Zweifel viel Gutes; aber das Beste, ich will nicht sagen das Nützlichste, jedoch das Unterhaltendste in Hafen Slawkenbergius sind meiner Ansicht nach seine Erzählungen: – und wenn man erwägt, dass er ein Deutscher war, sind manche nicht ohne Phantasie. – Sie bilden sein zweites Buch, beinahe die Hälfte eines Foliobandes, und sind in zehn Dekaden abgeteilt, wovon jede zehn Erzählungen enthält. – Man baut Philosophie nicht auf Erzählungen; und deshalb hatte Slawkenbergius gewiss nicht recht, dass er sie unter diesem Namen in die Welt schickte! – Auch finden sich in seiner 8., 9. und 10. Dekade mehrere, die, ich muss sagen eher mutwillig und scherzhaft als spekulativ sind; – im
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