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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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habt dies Tier gut verpflegt, setzte er hinzu und strich dem Maultier mit der Lin ken über das Gesicht, – es hat mich und meinen Mantelsack über 600 Stunden weit getragen.
   Longa via est, respondit hospes, nisi plurimum esset negotii. – Enimvero, ait peregrinus, a Nasorum promontorio redivi, et nasum speziosissimum, egregiosissimumque, quem unquam quisquam sortitus est, acquisivi.
   Das ist ein weiter Weg, meinte der Gastwirt, da muss man schon wichtige Geschäfte haben. – Allerdings, erwiderte der Fremdling, ich komme vom Vorgebirge der Nasen und habe mir dort eine der schönsten, trefflichsten Nasen angeschafft, die jemals einem Sterblichen zu Teil geworden ist.
   Dum peregrinus hanc miram rationem de se ipso reddit, hospes et uxor ejus, oculis intentis, peregrini nasum contemplantur. – Per sanctos sanctasque omnes, ait hospitis uxor, nasis duodecim maximis in toto Argentorato major est! – estne, ait illa mariti in aurem insusurrans, nonne est nasus praegrandis?
   Während der Fremdling so Rechenschaft von sich gab, betrachteten Wirt und Wirtin die Nase des Fremdlings mit gespannter Aufmerksamkeit. – Bei allen Heiligen! rief die Wirtin – diese Nase ist zwölf Mal grösser als die grössten in ganz Straßburg! – Nicht wahr, flüsterte sie ihrem Mann ins Ohr, es ist eine herrliche Nase?
   Dolus inest, anime mi, ait hos pes – nasus est falsus.
   Da steckt eine Spitzbüberei dahinter, mein Schatz, erwiderte der Wirt, – die Nase ist offenbar falsch.
   Verus est, respondit uxor. Ex abiete faktus est, ait ille, terebinthium olet.
   Sie ist echt, erwiderte die Wirthin. Ich sage, sie ist aus Kiefernholz, entgegnete er, sie riecht ja nach Terpentin.
   Carbunculus inest, ait uxor.
   Es ist ein Karbunkel daran, sagte die Wirtin.
   Mortuus est nasus, respondit hospes.
   Es ist eine tote Nase, versetzte der Wirt.
   Vivus est, ait illa, – et si ipsa vivam, tangam.
   Nein, sie ist lebendig, sagte sie, und so wahr ich selbst lebendig bin, ich werde sie anrühren.
   Votum feci sancto Nicolao, ait peregrinus, nasum meum intaktum fore usque ad – Quodnam tempus? illico respondit illa.
   Ich habe eine Gelübde bei dem h. Nicolaus getan, dass Niemand meine Nase berühren darf bis – Bis wann? fragte jene.
   Minime tangetur, inquit ille, manibus in pektus kompositis, us que ad illam horam — Quam horam? ait illa. — Nullam, respon dit peregrinus, donec pervenio ad – Quem locum? obsecro, ait illa. – Peregrinus nil respondens mulo conscenso discessit.
   Niemand soll sie berühren, versetzte er und kreuzte die Hände über der Brust bis zu der Stunde – Bis zu welcher Stunde? fragte jene. – Zu keiner, erwiderte der Fremdling, gelange ich selbst nicht an – An was? ich beschwöre euch? rief jene. – Der Fremdling erwiderte nichts, bestieg sein Maultier und ritt weiter.
     
    Der Fremdling hatte auf seinem Wege gen Frankfurt noch nicht eine halbe Stunde zurückgelegt, als bereits ganz Straßburg wegen seiner Nase in Aufruhr war. Die Abendglocken läuteten und riefen die Straßburger, um die Pflichten des Tags mit Gebet abzuschließen: – aber keine Seele in Straßburg hörte sie, – die Stadt war wie ein Bienenschwarm, – Männer, Frauen und Kinder rannten dahin und dorthin (während die Betglocke fortwährend bimmelte) – zur einen Türe hinein zur andern hinaus – kreuz und quer, die eine Straße hinauf die andere hinunter – in jenes Gäßchen hinein, aus diesem heraus. – Habt ihr sie gesehen? Habt ihr sie gesehen? Habt ihr sie gesehen? O habt ihr sie gesehen? Wer hat sie gesehen? Wer hat sie gesehen?
    Um Gottes willen, wer hat sie gesehen? Ach du meine Güte, ich war gerade in der Vesper! – Ich war beim Waschen, beim Stärken, beim Scheuern, beim Nähen. – Ach du lieber Gott, ich habe sie nicht gesehen! – habe sie nicht berührt – o wäre ich doch die Schildwache gewesen, oder der säbelbeinige Tambour, oder der Trompeter oder die Frau Trompeterin, so rief und jammerte es durch alle Straßen und Gassen von Straßburg.
    Während diese heillose Verwirrung und Unordnung in der großen Stadt Straßburg triumphierte, war der artige Fremdling auf seinem Maultier so harmlos Frankfurt zu geritten, als ob ihn die ganze Sache nichts anginge, – dabei sprach er den ganzen Weg über in abgebrochenen Sätzen bald mit seinem Maultier, – bald mit sich selbst, – bald mit seiner Julia.
    O Julia, meine holde Julia! – Nein, ich kann nicht

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