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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Ernste betrachtete! – wie er sie zwischen Daumen und Zeigfinger hielt und dann auch in der Quere besah; – dann sie gerade vorwärts streckte, –dann nach dieser Seite und dann nach jener, kurz in allen möglichen Richtungen und Verkürzungen, – so würde er daraus geschlossen haben. mein Onkel Toby habe seinen medius terminus gefunden, und schließe und messe daran im Geist die Wahrheit jeder Hypothese über lange Nasen in der Reihenfolge, wie sie mein Vater vorbrachte. Dies wäre eigentlich mehr gewesen als mein Vater verlangte; – sein Ziel bei all den Mühen, die er sich mit diesen philosophischen Vorlesungen machte, – ging dahin, meinen Onkel Toby in den Stand zu setzen, nicht dass er mitstreite – sondern nur dass er verstehe; – dass er die Grane und Skrupel der Gelehrsamkeit in sich aufnehme, – nicht dass er sie wäge. – Mein Onkel Toby tat freilich, wie der geneigte Leser aus dem nächsten Kapitel ersehen wird, weder das Eine noch das Andere.
     
    85. Kapitel
    Es ist Schade, sagte mein Vater an einem Winterabend, nachdem er drei Stunden lang mühsam aus Slawkenbergius übersetzt hatte, – es ist Schade, sagte mein Vater, und legte dabei meiner Mutter Garnwickel als Zeichen in das Buch, – dass die Wahrheit, Bruder Toby, sich in solche uneinnehmbare Festungen einschließt und so hartnäckig ist, dass sie sich oft auch bei der engsten Belagerung nicht ergibt –
    Nun geschah es, wie allerdings schon oft vorher geschehen war, dass die Phantasie meines Onkels Toby während mein Vater ihm den Prignitz auslegte, – da sie hier keinen Haltpunkt fand, – einen kleinen Ausflug nach dem Rasen gemacht hatte: – sein Körper wäre recht gern auch dahin gegangen; – so dass mein Onkel Toby, so sehr er ein Gesicht machte, als ob er tief mit dem medius terminus beschäftigt sei – in Wahrheit ebenso wenig von der ganzen Vorlesung und all ihren Für und Wider gehört hatte, als ob mein Vater den Hafen Slawkenbergius vom Lateinischen in das Cherokesische übersetzt hätte. Aber das von meinem Vater als Gleichnis benützte Wort »Belagerung« wehte mit der Kraft eines Talismans die Phantasie meines Onkels Toby so schnell wieder zurück, wie ein Ton der Berührung einer Saite folgt, – er spitzte die Ohren; – und als mein Vater bemerkte, dass er die Pfeife aus dem Munde nahm, und den Stuhl näher an den Tisch rückte, als wollte er von der Rede profitieren, – begann dieser mit großem Vergnügen seinen Satz von Neuem, – wobei er nur den Plan änderte und das Gleichnis mit der Belagerung fallen ließ, um etwaigen Gefahren, welche mein Vater von daher witterte, auszuweichen.
    Es ist Schade, sagte mein Vater, dass sich die Wahrheit nur auf einer Seite befinden kann, Bruder Toby – wenn man in Betracht zieht, wie geistreich sich diese gelehrten Männer bei ihrer Lösung der Nasenfrage gezeigt haben. – Lassen sich denn Nasen auflösen? erwiderte mein Onkel Toby.
    Mein Vater stieß seinen Stuhl zurück, – sprang auf, – setzte seinen Hut auf, – tat vier große Schritte nach der Türe, – riss sie auf, – streckte den Kopf halbwegs hinaus, – schloss sie wieder, – kehrte sich nichts an ihr Krächzen, – trat wieder an den Tisch, – zog meiner Mutter Garnwickel aus dem Slawkenbergius, – ging rasch nach seinem Schreibtisch, – kehrte langsam wieder zurück, – wickelte meiner Mutter Wickelpapier um seinen Daumen – knöpfte die Weste auf, schleuderte meiner Mutter Wickel ins Feuer, – biss ihr seidenes Nadelkissen auf, wobei er den Mund voll Kleie bekam, – fluchte darüber: – aber wohlgemerkt! – der Fluch galt eigentlich dem Kopf meines Onkels Toby – der eigentlich schon wirr genug war; – die Kleie war nur die Ladung für den Fluch – wie es das Pulver für die Kugel ist.
    Es war nur gut, dass die Leidenschaften meines Vaters nicht lange dauerten; denn so lange sie dauerten, machten sie ihm viel zu schaffen; und es ist eines der unauflöslichsten Probleme, dem ich bei meinen Beobachtungen der menschlichen Natur begegnete, dass nichts meinen Vater so sehr in Hitze brachte, oder seine Leidenschaft wie Pulver aufflammen ließ, als wenn seine Wissenschaft von der eigentümlichen Einfalt in den Fragen meines Onkels Toby einen Schlag ins Gesicht bekam. – Hätten ihn zehn Dutzend Hornissen alle zu gleicher Zeit an ebensoviel verschiedenen Stellen hinten gestochen, – er hätte nicht mehr mechanische Funktionen in weniger Sekunden ausführen, – oder auch nur halb so auffahren

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