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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Speisen [ 4 ] der religiösen Orden zu mischen, welch' einen Carneval musste sie nicht unter denen der Laien anrichten! – Das ist mehr als meine stumpfgeschriebene Feder zu schildern vermag; doch erkenne ich an (ruft Slawkenbergius in einem heitereren Gedankengange als ich von ihm erwartet hätte), dass es gegenwärtig viele gute Gleichnisse auf der Welt gibt, die meinen Landsleuten einige Idee davon geben könnten. Wäre es aber am Schlusse eines solchen, ihnen zulieb geschriebenen Foliobandes, worauf ich den grössten Teil meines Lebens verwendet habe, – wenn ich auch zugebe, dass es ein solches Gleichnis geben mag – nicht unvernünftig von ihnen, wenn sie erwarten würden, dass ich übrige Zeit und Lust habe, um ihm nachzuspüren? Es genüge, wenn ich sage, dass die Verwirrung und Unordnung, die dasselbe in den Phantasieen der Straßburger anrichtete, so allgemein war, – alle ihre geistigen Fähigkeiten in so überwältigender Weise beherrschte, – dass so viele seltsame Dinge mit gleicher Zuversicht von allen Seiten und mit gleicher Beredsamkeit an allen Orten hierüber besprochen und beteuert wurden, dass der ganze Strom der Unterhaltung und Verwunderung in dieser Richtung floss. Jede Menschenseele, die Guten und die Bösen, die Reichen und die Armen, die Gelehrten und die Ungelehrten, Doktoren und Studenten, Frauen und Mädchen, Edle und Bürgerliche, Nonnenfleisch und Weiberfleisch in Straßburg brachte die ganze Zeit damit zu, Neues hierüber in Erfahrung zu bringen; – jedes Auge in Straßburg schmachtete danach die Nase zu sehen, – jeder Finger, jeder Daumen in Straßburg brannte sie zu befühlen.
    Was aber dieses heftige Verlangen noch steigerte, wenn es überhaupt noch dessen bedurfte, war, dass Schildwache, krummbeiniger Tambour, Trompeter, Trompeters Weib, Bürgermeisters Frau, Wirt und Wirtin, wie weit sie auch in ihren Beschreibungen der Nase des Fremdlings auseinander gingen, – alle in zwei Punkten vollkommen miteinander übereinstimmten: – nämlich dass er nach Frankfurt gegangen sei und in Monatsfrist nach Straßburg zurückkehren werde; und zweitens, dass, mochte seine Nase nun eine echte oder falsche sein, der Fremdling selbst eines der vollkommensten Schönheitsmuster – der feinste Mann unter der Sonne – der edelste, – der freigebigste – der artigste in seinem ganzen Wesen, der jemals Straßburg betreten, gewesen sei; – dass wie er so mit dem Säbel leicht am Handgelenk hängend durch die Straßen geritten – wie er in seinen rotseidenen Hosen über den Paradeplatz gegangen sei – er dies mit einem milden Ausdruck sorgloser Bescheidenheit und doch zugleich so männlich getan habe, – dass er (falls seine Nase nicht im Wege gestanden wäre) das Herz jeder Jungfrau, die das Auge auf ihn geworfen, in Gefahr gebracht haben würde.
    Ich kann ein Herz, welches dem Pulsieren und Schmachten einer so erregten Neugierde fremd ist, nicht auffordern die Äbtissin von Quedlinburg, die Priorin, die Decanin und die Untersängerin zu entschuldigen, weil sie Nachmittags nach dem Weibe des Trompeters schickten. Letztere schritt mit der Trompete ihres Mannes in der Hand durch die Straßen von Straßburg – es war dies der beste Apparat, den ihr die Kürze der Zeit – sie konnte nicht länger als drei Tage bleiben – gestattete, um ihre Theorie zu verdeutlichen.
    Und die Schildwache und der säbelbeinige Tambour! – O diesseits des alten Athen kam ihnen nichts gleich; sie hielten ihre Vorlesungen an alle Kommenden und Gehenden unter den Stadttoren und mit derselben Würde wie ein Chrysippus, ein Crantor unter seinem Porticus.
    Der Gastwirt mit seinem Hausknecht zur Linken hielt seine Vorlesung in dem gleichen Stil – unter der Halle oder dem Torweg seines Stallhofes; – seine Frau die ihrige etwas abgeschlossener in einem hinteren Zimmer. Jedermann strömte zu ihren Reden; nicht untereinander – sondern bald zu dieser bald zu jenem, wie dies bei solchen Dingen stets der Fall ist, wo Glaube und Leichtgläubigkeit führten. Mit einem Wort jeder Straßburger drängte sich nach Wissen, und jeder Straßburger erhielt auch das Wissen, dessen er bedurfte.
    Für alle Beweisführungen aus der Naturphilosophie ist die Tatsache bemerkenswert, dass sobald das Trompetersweib die Privatstunde, welche sie der Äbtissin von Quedlinburg gab, beendigt hatte, und nun öffentlich zu sprechen begann, was sie von einem Stuhl in der Mitte des Paradeplatzes aus tat – sie die anderen Redner dadurch

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