Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
halten bleiben, damit du diese Disteln abfrissest. – Dass die verwünschte Zunge eines Nebenbuhlers mich eines solchen Genusses berauben konnte, als ich gerade auf dem Punkte stand ihn zu kosten.
Oh! – es sind nur Disteln – lass sie stehen; – du sollst heute Abend ein besseres Fressen haben.
Aus meinem Vaterlande verbannt, – von meinen Freunden getrennt – von dir!
Armer Teufel! du scheinst sehr ermüdet von deiner Wanderung! – Komm! – schreite etwas rascher aus – es ist ja nichts in meinem Mantelsack als zwei Hemden – die seidenen Hosen – und das Ding mit den Franzen – teure Julia!
Aber warum nach Frankfurt? – gibt es denn eine unsichtbare Hand, die mich geheimnisvoll all diese Schlangenpfade durch harmlose Länder führt?
Es stolpert bei jedem Schritt, bei St. Nicolaus! – Wenn es so fort geht, wird es Nacht bis wir hinkommen –
Geh ich dem Glück entgegen – oder ist es mir beschieden, vom Schicksal und von der Verläumdung misshandelt zu werden? – soll ich unüberwiesen – ungehört – ungerührt weiter getrieben werden? – Warum blieb ich dann nicht in Straßburg, wo die Gerechtigkeit – aber ich hatte es geschworen! – Komm, du sollst saufen – bei St. Nicolaus – O Julia! – Warum spitzest du die Ohren? Es ist nur ein Mann u. s. w.
Der Fremdling ritt weiter, indem er sich bald an sein Maultier, bald an Julia wendete, – bis er an seinem Gasthof ankam, wo er alsbald abstieg, dafür besorgt war, dass sein Maultier, wie er es versprochen hatte, gut verpflegt wurde, – seinen Mantelsack mit den rotseidenen Hosen abschnallte und eine Omelette zum Abendessen bestellte. Dann legte er sich gegen zwölf Uhr zu Bett und war nach fünf Minuten in Schlaf versunken.
Um dieselbe Zeit etwa legte sich die Aufregung in Straßburg für diese Nacht, – die Straßburger gingen ebenfalls zu Bett – aber weder ihre Körper noch ihre Geister genossen der gleichen Ruhe wie der Fremdling. Die Feenkönigin hatte sich der Nase des Fremdlings bemächtigt und sie, ohne dass dadurch ihr Umfang gemindert wurde, in so viele Nasen von verschiedenem Zuschnitt und Form verwandelt, als es Köpfe in Straßburg gab. Die Äbtissin von Quedlinburg, die mit den vier Großwürdenträgerinnen ihres Kapitels, der Priorin, der Dekanin, der Untersängerin und der Oberkanonissin in dieser Woche nach Straßburg gekommen war, um die Universität in einer Gewissensfrage in Betreff ihrer Unterrockschlitze zu Rate zu ziehen, – war die ganze Nacht krank.
Die Nase des artigen Fremdlings hatte sich auf die Zirbeldrüse ihres Gehirns gesetzt und in den Phantasieen der vier Großwürdenträgerinnen ihres Kapitels einen solchen Aufruhr erregt, dass sie die ganze Nacht hindurch kein Auge zutun konnten; – sie vermochten kein Glied ruhig zu halten: – kurz als sie aufstanden, sahen sie wie Gespenster aus.
Die Büßerinnen von der dritten Ordnung des h. Franciscus, die Nonnen vom Calvarienberg, die Prämonstratenserinnen, die Clünianerinnen [ 3 ] , die Karthäuserinnen und alle strengeren Nonnen-Orden, welche in jener Nacht auf Leintüchern oder härenen Ziechen lagen, waren in einer noch schlimmeren Lage als die Äbtissin von Quedlinburg; indem sie sich die ganze lange Nacht hindurch von der einen Seite ihres Bettes nach der andern warfen und wälzten. Die verschiedenen Schwesterschaften kratzten und prügelten sich fast zu Tode; alle glaubten, der h. Antonius habe sie mit seinem Feuer heimgesucht, um sie zu prüfen; kurz sie hatten von der Vesper bis zum Morgen kein Auge zugetan.
Die Nonnen der h. Ursula handelten am klügsten; sie machten gar nicht den Versuch zu Bett zu gehen.
Der Dekan von Straßburg, die Domherren, die Kapitelherren und Domiciliare, die am Morgen als geistliches Kapitel zusammengetreten waren, um die Frage der Butterwecken in Betracht zu ziehen, wünschten sämtlich, sie hätten das Beispiel der Ursulinerinnen befolgt.
In der Aufregung und Verwirrung, in der sich in dieser Nacht Alles befunden hatte, hatten die Bäcker total vergessen, ihren Hefenteig anzumachen; – so gab es in ganz Straßburg keine Butterwecken zum Frühstück. – Der ganze Dombezirk befand sich in beständiger Bewegung: – eine solche Ruhelosigkeit und Erregung, ein so eifriges Forschen nach der Ursache dieser Ruhelosigkeit war in Straßburg nicht dagewesen, seitdem Martin Luther die Stadt mit seiner Lehre auf den Kopf gestellt hatte.
Wenn sich die Nase des Fremdlings so die Freiheit nahm, sich in die
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